Philosophie des DeutschPunks 1 1
Für die Ungeduldigen: Kapitel 2 bietet eine Einführung in die Geschichte des Deutschpunks. Wer das schon kennt springt zu Kapitel 3. Und die ganz Ungeduldigen können direkt zu Kapitel 7 gehen. Allen anderen erklärt Tom Tonk von Eisenpimmel hier nun kurz WAT PUNK IS Jeder, der so is wie ich wird akzuptiert von mich, ganz klar Schocken und saufen, vergammelt rumlaufen, dafür sind Punker da Voll meine Meinung sind bunte Haare auf´m Kopp dat einzig Wahre Doch nur wenn keine Farbe benachteilt is, weile sonnz schon am Politik machen bis Man gönnt sich ja sonnz nix, nur´n Iro obendrauf, aber Leute: Paßt auf die Stromleitung auf! Arschlappen am Arsch sehn zwar scheiße aus, doch wenn dat Klopapier fehlt, hilft dem beim scheißen aus Korrekt sind kaputte Zähne zum beißen, dann musse aber auch dat Maul aufreißen Mit Piersings überall sieht man aus wie ´ne Rakete, doch Vorsicht im Gefecht: Die Bullen hamm Magnete! Ob Möse, ob Schwanz, wir wolln Toleranz der Staht is krank – wir machen Hip Hop Wenne gebraucht ´ne gute Nietenhose kriss, musse kucken, dat da auch ´ne Niete drin is Bekritzelte Jacken schocken wie Hulle, dann aber nur „A“ und „schieß doch, Bulle!“ Hundehalsband is ok, wenn ich auf Sadomistmus steh dann halt aber auch ´ne Leine bereit und riech die 5Leute am Arsch wegen Glaubwürdigkeit Total wichtich bei so´m Schäferhund is die korrekte Einstellung aus´m Bierheim am besten, dat Tier – Gassi gehen mit vier Kisten Bier Nötich is beim Rind, dat die Jacken von dat aus Kuhalalumpur sind ein Wort an die Springstiefel seine Fans: Sowat is nur Werbung für die Konkurrenz Kollegen mit Rasierklingen sind Verlierer et gibt doch schon lange Elektro-Rasierer ´n Vorhängehalsschloß musset schon sein, wenn ich Scheiße bau, sperr ich mich selber ein Voll gut sind Klamotten mit Löcher und Falten, man hat gute Schangsen, datt´se einen für´n Punker halten ´n Tattuh auffe Stirn für die Schonung von Nerven, darauf steht: keine heiße Asche einwerfen! Ob Möse, ob Schwanz, wir wolln Toleranz der Staht is krank – wir machen Hip Hop
2 Punk für Anfänger
„Jeder kann Punk sein.
Vom Büroarbeiter über den Müllmann bis hin zum Schüler.
Schon am Tag deiner Geburt kannst du ein Punk sein.
Es ist eine (Geistes-)Haltung, die man hat oder nicht.
Punk ist nicht nur verkleidet zu sein, oder Leute zu schockieren.
Es bedeutet auch Spass zu haben.“
Abbildung 2: DeutschPunker auf einem Konzert in der AU
2.1Das Wichtigste in Kürze
Oder Warum jedes weitere Kapitel mit einem Musiktext beginnt.
Denn der mit Sicherheit zentralste und wichtigste Aspekt an der Punk-Bewegung ist die Musik.
„[...] der Punk-Rock ist das wichtigste Element des gesamten Phänomens Punk [...]“ 1
Konzerte und Festivals sind die zentralen Treffpunkte der Punks.
Da über die Musik auch zahlreiche Inhalte transportiert werden, bieten die Texte der Bands ein reales Abbild der aktuellen Denkweisen der Punk-Szene.
Die Musik war seit ihrer Anfangszeit der Ausgangspunkt für alle szeneinternen Entwicklungen.
Die Texte der Songs sind meist gesellschaftskritisch, zynisch, aggressiv und „von beeindruckender Schärfe und Treffsicherheit“2
Die Texte sollen die Zuhörer zum Nachdenken anregen.
Die Texte der frühen Punkbands waren geprägt von Negation, Provokation und Auflehnung. Die Sex Pistols legten mit Slogans wie „No Future“ den Grundstein für die ersten Punkbands, die mit ihren Texten schocken und so auf die Missstände aufmerksam machen wollten, mit denen sich die Jugend in Großbritannien konfrontiert sah. Während die Massenmedien in England beinahe täglich neue Schreckensmeldungen und Endzeitvisionen verbreiteten, griffen die Punkcombos den daraus resultierenden Zeitgeist auf und reproduzierten ihn in ihren Texten.
Die Punk-Szene begriff sich schon früh als Gegenpol zur Gesamtgesellschaft, zu den Reichen und Mächtigen und vielen etablierten Institutionen und behandelte dieses Bewusstsein in ihren Liedern. „So nimmt in den Texten die Ablehnung kollektiv verpflichtender und sinnstiftender Gebilde, wie z. B. das der Religion, einen breiten Raum ein.“3
Zu Beginn der 1980er Jahre wurde nun auch linkspolitische Themen in den Texten verarbeitet, Aufrufe zum Klassenkampf, Solidarität mit der Hausbesetzer-Szene oder internationalen Revolutionsgruppen. In den USA manifestierte sich der politische Aspekt auch durch die Hardcore- und D.I.Y.-Szene, die in diesen Jahren entstand.
In Deutschland (DDR und BRD) wurde in jenen Jahren ein eigener Stil etabliert, der klassische Deutschpunk, mit fast ausschließlich politischen, kämpferischen oder systemkritischen Texten, die vielfach eine Endzeitstimmung verbreiteten, die den Nerv einer von einem geteilten Land und dem Kalten Krieg beeinflussten Generation traf.
Punk in Deutschland erhielt in diesen Jahren seinen politischen Anspruch u. a. auch aus den Überschneidungen mit der Hausbesetzer-Szene, die in diesen Jahren vor allem in Hamburg und Westberlin entstand. Und auch in anderen deutschen Großstädten trafen sich die Punks nun an zentralen öffentlichen Plätzen, wo sie mit ihrem Aussehen provozierten und polarisierten. Der Höhepunkt der urbanen Konfrontation waren die Chaostage 1984 und 1995, sowie das Punkverbot in Karlsruhe4.
Die Bands, die die Szene in diesen Jahren am meisten beeinflussten, waren Slime, Toxoplasma, Daily Terror, Razzia, Canal Terror und Normahl. Die Bands waren allesamt dem linken Spektrum zuzuordnen und ihre Aussagen dementsprechend kritisch geprägt.
Aus dieser während der 1980er Jahre innerhalb der Szene in Deutschland recht populären Strömung, ging später auch der Funpunk hervor. Bands wie Abstürzende Brieftauben, Schließmuskel, Frohlix, Die Goldenen Zitronen oder Die Mimmis lassen sich dieser Kategorie zuordnen.
Aber die wohl bekanntesten Vertreter dieses Genres sind Die Toten Hosen5“ und „Die Ärzte6“, die ihren Weg von der kleinen Punkband Anfang der 80er zur kommerziell erfolgreichen Rockband in den 90ern konsequent fortsetzten.
Die beiden bis heute populärsten deutschen Punkbands, stellten sich beide zum Zeitpunkt ihres kommerziellen Durchbruchs in den 90ern deutlich gegen rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft.
Zwar blieb auch ihnen auf ihren Erfolg hin der Vorwurf des Ausverkaufs nicht erspart, doch wurde diese klar linke Positionierung innerhalb der Punk-Szene sehr positiv aufgenommen. Nicht zuletzt deshalb sind sowohl Die Toten Hosen, als auch Die Ärzte in der deutschen Punk-Szene nach wie vor salonfähig.
Wenngleich die Musik, der Punkrock, einen immens hohen Stellenwert in der Szene hat und sich vieles auf ihn und um ihn herum konzentriert und entwickelt, so sollten die anderen Formen, in denen Punk sich künstlerisch Ausdruck verleiht, nicht vergessen werden. Vor allem auch das Phänomen des Fanzines7, prägte die Szene.
Abbildung 3: Enpunkt Fanzine aus Karlsruhe von Klaus N. Frick
Eine Sonderausgabe des Fanzines Abenteuerland mit dem
Titel „BravoPunk“ findet sich am Ende des Buches in Kapitel 9.8.
2.2Ursprung
„Nach der Youth-Bulge-Theorie8 führt ein Überangebot von jungen Männern zu Auswanderung und Krieg. Doch für die Generation der Baby-Boomer war der Krieg nicht mehr als gerechte Sache, sondern nur als Weltkrieg vorstellbar. Auch erschien es nicht sinnvoll, sein Glück woanders zu suchen, wenn man schon in der reichsten Weltgegend wohnte. Jede Form der Weltverbesserung war schon durch die 68er besetzt. Nur aus dieser Grundsituation heraus lässt sich eine derart selbstzerstörerische aus der eigenen Zukunftslosigkeit ein hedonistische Weltsicht entwickelnde Jugendkultur verstehen.“ führt der Sänger von „Die Kassierer“9 W. Wendland10 in einem Gespräch mit dem Autor treffend die Ursachen aus, die zu Entstehung des Punk führten.
In London machten ab 1976 die Sex Pistols von sich reden. Die Band, die Punk als Subkultur und Stil zu dem machte, was seither darunter verstanden wird, wurden von Malcolm McLaren und Vivienne Westwood, der „Queen of Punk“, gemanagt und gefördert.
Mit ungeschliffenem und aggressivem Punkrock, bissigen bis nihilistischen Texten wie „Anarchy in the UK“ oder „God Save the Queen“, sowie ihrem provokativen Stil schlug die Band im damals konservativ regierten England ein wie eine Bombe.
England war in dieser Zeit geprägt von schweren sozialen Problemen, hoher Arbeitslosigkeit und schlechten Zukunftsperspektiven insbesondere für Jugendliche. Punk11 in Großbritannien war letztlich eine Bewegung von unterprivilegierten, weißen Jugendlichen der Arbeiterklasse. Vielen von ihnen ging ihre soziale Situation sehr nahe, und sie benutzten das Medium Punk, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken.
Auch wenn die Sex Pistols oft als Pioniere des Punks bezeichnet werden ist dies nicht die ganze Wahrheit, denn zeitgleich kamen The Ramones und Patti Smith in den U.S.A. auf. The Ramones waren die erste New-Yorker Punk-Band, die musikalisch den Durchbruch schaffte (nur PunkMusiker; alle inzwischen tot), während Patti Smith (Punk-Künstlerin und Punk-Musikerin; lebt November2020 noch) oft als „Godmother of Punk“12 bezeichnet wird.
2.3Was ist Punk?
Punk zu definieren fällt schwer. Ich möchte fast behaupten, Punk einem Nichtpunk zu vermitteln ist ähnlich wie einem Abstinenten das Gefühl des Berauschtseins oder einem Nichtschwimmer das Gefühl des Schwimmens zu beschreiben.
Es fehlen einem die Worte, es fehlen einem die Definitionen. Einen ersten Erklärungsversuch liefern diese oft gegebenen „Standardantworten“:
„Punk ist, was du daraus machst.“
„Es ist eine (Geistes-)Haltung (Philosophie), die man hat oder nicht.“
Punk definiert sich von innen, die Szene entscheidet was Punk ist und was nicht. Gerade in den Randbereichen führt das aber zu erheblichen Unschärfen.
Aus diesem Grund möchte ich zumindest versuchen einen Teilaspekt dieser Frage, nämlich die Philosophie des Deutschpunks und sein Wandel oder eben NichtWandel im Laufe seines über 40jährigen Bestehens im Rahmen einer Diskussion annähernd zu beantworten.
Wen obigen Antworten nicht befriedigen, dem gebe ich hier eine Auszug aus Wikipedia, was Punk angeblich sein soll, zur Hand:
„Der Punk stellt sich gegen alle Konventionen, gegen die Konsumgesellschaft und gegen das Bürgertum sowie gegen rechte Weltanschauungen. Und obwohl sich die meisten Punks mehr oder weniger links sehen, stellt er sich genauso gegen die politische Linke mit ihrem Etatismus. Dahinter steckt eine respektlose, resignierte bis aggressive Haltung gegenüber der Gesellschaft, eine Art rebellischer Nihilismus, und die Betonung der Freiheit des Individuums und des Nonkonformismus.
Der Punk bringt sich vor allem durch Musik zum Ausdruck, ferner durch Kleidung, Frisuren und vom Do-it-yourself-Gedanken geprägter Grafik (Collagen, Xerographien und Comic-Zeichnungen). Der Punk betont das Hässliche und will provozieren; so stellen viele Fanzine- und Schallplattencover deutlich soziale Ungerechtigkeiten, wirtschaftliche Ungleichheit und Leid, Selbstsucht, Apathie, dystopische Visionen und andere Bilder, die die Ablehnung des Betrachters provozieren sollen, dar.
Typischerweise drückt Punk eine gleichgültige Haltung gegenüber sich selbst aus; so erklärt sich auch die ungesunde Lebensweise vieler Punks. Es gibt aber auch andere Tendenzen in der Punk-Szene, bis hin zur Veganer- und Straight-Edge-Bewegung. Einige der frühen Punk-Musiker studierten an Kunsthochschulen und kannten ältere radikale Avantgarde-Konzepte. Andere waren aus kleinen Verhältnissen stammende Arbeitslose oder Arbeitsverweigerer, die alles zurückwiesen, was es an Kultur und Sinnstiftung zuvor gegeben hatte. Mit ihrem provozierenden Auftreten stießen die Punks in der Gesellschaft auf Unverständnis, Ablehnung und sogar Hass. Andererseits wurde Punk aber auch zu einer Art Popkultur. Dieser Widerspruch ist bis heute kaum befriedigend erklärt.
Nach Auffassung von Greil Marcus ist Punk untrennbar verknüpft mit dem Situationismus der 1960er Jahre. Auch Malcolm McLaren, Mentor der Sex Pistols und damit einer der Protagonisten des frühen Punk, wollte dies gerne als den Ausgangspunkt der Bewegung ausgeben. Aber der Situationismus ist gefärbt durch politische Ziele des Sozialismus und Anarchismus. Der Punk hingegen hat keine einheitlichen politischen oder sonstigen Ziele. Dass zwischen dem Situationismus und dem Punk kaum eine Verbindung besteht, belegen auch zwei Werke, die als zuverlässige Quellen für die frühe Punk-Bewegung Londons gelten, weil sie aus dem persönlichen Umfeld der Protagonisten stammen: das Buch „Sex Pistols – The Inside Story“ von Fred und Judy Vermorel und die Autobiographie No Irish, No Blacks, No Dogs von Johnny Rotten, dem Frontmann der Sex Pistols. Laut Rotten war einer der Hauptgründe für das Punk-Phänomen der 1970er der Protest gegen das Klassensystem und die Chancenungleichheit, die die Jugendlichen der Punk-Szene dazu motivierte, über Klassengrenzen hinweg füreinander einzustehen – gegen die Welt der Erwachsenen.13
1 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4
2 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4
3 Thomas Lau, Die heiligen Narren. Punk 1976-1986, vgl. Literaturliste 4
4Vgl Kapitel 2
5https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Toten_Hosen
6https://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%84rzte
7http://de.wikipedia.org/wiki/Fanzine
8https://de.wikipedia.org/wiki/Youth_Bulge
9https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kassierer
10https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Wendland
11https://de.wikipedia.org/wiki/Punk#Die_Bewegung_in_Gro%C3%9Fbritannien
12http://movies.nytimes.com/2008/08/06/movies/06patt.html
13http://de.wikipedia.org/wiki/Punk#Punk_in_der_Theorie_und_als_Lebensgef.C3.BChl