WIZO Wir sind nicht kommerzieller als 1990

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Im Gespräch mit WIZO-Sänger Axel Kurth
Seit WIZO in der zweiten Hälfte der 80er Jahre damit anfing, Punkrock mit deutschen Texten zu machen, hat sich die Band unaufhörlich »nach vorne« entwickelt. Heute gehören die drei Schwaben zu den kommerziell erfolgreichsten Bands der deutschen Punkrock-Szene und werden genau deswegen auch massiv angefeindet. Es stellt sich natürlich die Frage, inwiefern es punkrockiger ist, von Sozialhilfe und Schnorren zu leben oder eben sein Geld mit der Musik zu verdienen, die man selbst gerne hört. Eine Band, die sich aber selbst so ins Gerede bringt wie WIZO, muß sich dieser Kritik einfach stellen – und deshalb wurde WIZO-Sänger Axel zum Verhör in das ZAP-Außenbüro Karlsruhe bestellt. Dort mußte er Kaffee trinken, schlechte Scientology-Bücher durchblättern, gräusliche Musik hören und sich mit der Tatsache anfreunden, daß andere Leute nicht so schnell frieren, wenn es kalt wird. Axel revanchierte sich mit der feierlichen Überreichung eines Vorab-Tapes, auf dem zwei neue WIZO-Stücke zum Thema »Weihnachten« sowie zwei Stücke der japanischen Kollegen von HI-STANDARD enthalten sind. (Die vier schnellen und auch guten Liedchen gibt’s ab Dezember auf Platte, in Japan übrigens superlustigerweise auf nur 15.000 Exemplare limitiert. Ende der Werbeeinblendung.) Die Fragen stellte übrigens Klaus N. Frick.


ZAP: Was bedeutet im Jahr 1997 noch Punkrock für dich? Ist es eine Modeerscheinung für kleine pickelige NoFX-Fans, oder steckt da noch was dahinter? (Okay, doofe Frage, aber egal.)
Axel: Die Fragestellung ist schon mal problematisch. Was ist falsch daran, kleiner pickeliger NoFX-Fan zu sein? Wenn ich heute einen 14jährigen sehe, dann finde ich es cooler, wenn er in dem Alter NoFX-Fan ist, als wenn er die Hansons geil findet. Und dann kommn wir zu dem allgemeinen Ding, daß die Leute immer so intolerant zu den Jüngeren sind, die es ja einfach nicht besser wissen können. Insofern ist ein pickeliger 14jähriger NoFX-Fan das beste, was einem als Punkrocker übern Weg laufen kann, weil bei ihm die Möglichkeit am größten ist, daß er später mal einer der »Leistungsträger« der Punkrock-Szene wird.
ZAP: Also einer von denen, die später mal selbst was auf die Reihe kriegen und Sachen organisieren.
Axel: Genau so einer.
ZAP: Und was ist mit diesen CDU-Punx, die NoFX-Shirts tragen?
Axel: Natürlich kann ich nicht jeden 14jährigen NoFX-Fan zum Heiligen erklären. Ich kann nur darauf hoffen, daß das große Punkrock-Sieb die Spreu vom Weizen trennen wird. Wahrscheinlcih ist auch ein hoher Anteil von Kids darunter, die einfach nur cool sein wollen und deshalb harte Bands hören, um ihre eigene Weicheierigkeit zu übertünchen.
ZAP: Also doch für viele nur eine Modeerscheinung?
Axel: Gegenfrage: Hätte Punk jemals die Schlagkraft erreicht, wenn es in den 70er Jahren nicht eine Modeerscheinung gewesen wäre – also die Schlagkraft, die es in den 80er Jahren in Deutschland hatte?
ZAP: Okay, das waren aber auch andere Zeiten. Die Fronten waren klarer als heute. Wenn SLIME was mit »Bullenschweinen« sang, dann haben die das ernstgemeint, weil die entsprechenden Erfahrungen der Punk-Szene da waren.
Axel: Ich merke gerade, daß es mir schwerfällt, die Empfindungen einer 14jährigen am Ende der 90er Jahre nachzuempfinden ... und ich weiß, daß es heute etwas anderes ist, heutzutage gefärbte Haare zu haben, als zu dem Zeitpunkt, als ich sie mir mit 15 zum erstenmal gefärbt habe. Aber trotzdem: Wenn ich heute mit 28 Jahren lila Haare habe, dann werde ich immer noch blöde angeschaut und belabert. Also gehe ich davon aus, daß es für einen 14jährigen, der alles andere als eine feste Position in der Gesellschaft erreicht hat, es doch einige negative Erfahrungen geben wird, wenn er sich dazu entschließt, als Punkrocker rumzulaufen. Natürlich ist es leicht für uns, zu behaupten, früher wäre alles härter gewesen, aber ich denke, daß die Erfahrungen, die uns damals dazu geführt haben, uns weiter mit Punkrock zu beschäftigen, die gleichen sind, die die Kids heute haben – auch wenn sie vielleicht nicht so »hart« sind. Die Erfahrungen führen letztlich dazu, daß sie sich entscheiden, ob sie Punkrock nur zwei Jahre lang gut finden, weil sie das Mädel in ihrer Klasse, die darauf steht, unheimlich scharf finden, oder ob sie sich damit auseinandersetzen. Und ab dem Punkt gehe ich davon aus, daß sie früher oder später, mit dem, was wir »Inhalte« nennen, konfrontiert werden. Wobei ich halt immer einschränkend sagen muß, daß auch zu unserer Generation nicht jeder Super-HC-Punk automatisch was in der Birne hatte.
ZAP: Schon klar, daß du dich nicht in einen 14jährigen reinversetzen kannst. Ich frage deshalb, weil man in dem Alter häufig in irgendeine Art von Szene »einsteigt« – und ihr seid als WIZO für viele Jugendliche eine Art Einstiegsdroge ins Punkrock-Ding.
Axel: Diese Frge stellst du nicht als erster, und zu dieser Bezeichnung »Einsteigsdroge« verbindet mich eine ausgesprochene Haßliebe. Liebe deswegen, weil’s aus meiner Sicht geil ist, wenn wir die Leute mit dem großen Abenteuerspielplatz Punkrock in Kontakt bringen und auf diese Art und Weise dazu beitragen, daß der Schwachsinn weiter existiert. (allgemeines Gelächter) Und Haß natürlich deswegen, weil ich weiß, daß es eine ganz normale Entwicklungsform der Leute ist, daß sie das, womit sie eingestiegen sind, am härtesten hinterfragen, um sich später mal ein Profil zu schaffen. Diese Sachen werden auch am härtesten abgelehnt und hinter sich gelassen. Und so was kriegen wir oft genug zu spüren, was ich aber deswegen auch niemandem übel nehme.
ZAP: Dazu kommen wir nachher noch mal. Bleiben wir beim allgemeinen. Ihr macht ja Deutschpunk. Oder willst du lieber das schöne Wort von »Punkrock mit deutschen Texten« hören, um nicht mit Daily Terror und Bums in einen Topf geworfen zu werden?
Axel: Mir ist es scheißegal, in welchen Topf wir geworfen werden. Aber in der Tat ist es so, daß wir das Wort Deutschpunk lange genug umgangen haben, weil es eine Zeit gab, wo nichts so tot war wie Deutschpunk. Und wenn du mit deiner Band halbwegs den Anschein erwecken werden wolltest, daß du kein ewiggestriger Parolenkräher bist, hast du das eben in der Form umgangen, wie du das eben umschrieben hast. In Wirklichkeit ist es aber so, daß wir das, was wir machen, immer als Deutschpunk gesehen haben. Halt in der Tradition der Bands, die uns früher maßgeblich beeinflußt haben.
ZAP: Du redest jetzt von den 80er Jahren?
Axel: Klar. Slime. Toxoplasma. Hass. Oft genannt und trotzdem wahr. Aber als wir 1988 unser zweites Demo rausgebracht haben, konntest du gar nicht weiter im Abseitsz stehen, als wenn du Punkrock mit deutschen Texten oder Deutschpunk gemacht hast. Weil damsls jeder, der was auf sich gehalten hat, entweder Ami-Hardcore oder wenigstens Punk mit englischen Texte gemacht hat. Wir wurden noch bis weit in die 90er hinein für das, was wir machen, belächelt. Wir sind natpürlich mit so einem gewissen Komplex in der Richtung großgeworden. Nur ist es mittlerweile so, daß ich, wenn ich Interviews in Amerika oder in Japan gebe, jedem das Wort Deutschpunk buchstabiere. Weil mir im Laufe der Zeit klargeworden ist, daß es eben nicht nur das zitierte Parolengeschrei ist, was mann mit Deutschpunk verbindet, sondern diese ganze Aufbruchstimmung, die man anfangs der 80er Jahre verspürt hat und die uns immer irgendwie vorwärts getrieben hat. Und in der wir immer verwurzelt waren, weil wir immer das Bedürfnis hatten, politische Songs zu machen ...
ZAP: Halt! Ihr habt auch ganz schön viel doofe Funpunk-Stücke gemacht, und das war Ende der 80er Jahre ganz schön populär. Die Brieftauben waren auf der Titelseite der Bravo!
Axel: Wird von mir ja gar nicht bestritten. Hättest du mich ausreden lassen, hätte ich dir gesagt, daß das politische eine der Wurzeln war. Gleichzeitig waren wir aber Ende der 80er Jahre an dem Punkt wo uns vieles an der verbohrten Stierheit unnachvollziehbar und schlichtweg zu blöd vorkam, so daß dieses Bedürfnis nach blödsinnigen Texten auch so eine gewisse Art von ...
ZAP: Befreiung?
Axel: ... »den Spaß an der Sache behalten« war.
ZAP: Also deshalb ein Text wie »Keiner ist kleiner als meiner«?
Axel: Versetz dich in die Situation: Diesen parolenhaften Polit-Punk, den’s damals häufig gab, fand zu der Zeit jeder blöd, die Inhalte waren uns aber trotzdem wichtig. Ausgehend von der Situation, daß wir eh zwischen allen Stühlen saßen, haben wir uns gar keinen so großen Kopf gemacht. Wir haben uns auch nie eine solche Bedeutung beigemessen. Man darf nicht vergessen, daß WIZO am Anfang nur dafür gegründet wurde, daß man sich zweimal in der Woche zum Biertrinken getroffen hat.
ZAP: Hast du damals noch Bier getrunken? Ich bin entsetzt!
Axel: Klar, bis ich 18 war.

Spätestens hier ist ein Einschub im Interview nötig. Straight Edge war genau zu jener Zeit, als WIZO anfingen, das große Ding in der neuen Hardcore-Szene. Die Gründe sind bekannt: Punk war ab Mitte der 80er Jahre in immer stärkeren Maße zu einer Ansammlung von Alkoholikern verkommen, die man kaum ernstnehmen konnte. Chaostage bestanden aus fünfzig bis hundert Teilnehmern, die neuen Bands brachten selten viel auf die Reihe. Wie Axel irgendwann erzählte, flog er irgendwann mal von der Schule; ziemlich genau 1987 war das, in jener Zeit also, in der viele in der Punk-Szene nichts auf die Reihe brachten oder auf die Reihe bringen wollten. Der »kleine Axel« hing eine Weile lang ziemlich durch, bis er sich auf seinen Arsch setzte und beschloß, aus der Band was zu machen. Und um das konsequent umzusetzen, das überlegte er sich damals, mußte er die Sauferei einschränken oder bleibenlassen. Mit Straight Edge hatte das nichts zu tun, mit Religion oder Religionsersatz noch viel weniger. Und heutzutage sollten diejenigen, die den WIZO-Sänger kennen, froh sein, daß der Kerl nicht auch noch säuft: Der Mann redet nüchtern schon wie ein Buch ... wie wäre es dann besoffen?

ZAP: Mittlerweile seid ihr eine große Band, verkauft Zigtausende von Platten, werdet in Japan und Amiland vertrieben, hattet schon Auftritte im Fernsehen und so weiter. Sind das noch die alten Punkrock-Wurzeln?
Axel: Für mich persönlich waren wir mit WIZO nur konsequent. Das bedeutet, wir haben immer das gemacht, worauf wir Bock hatten und was uns in dem Moment richtig und wichtig erschien. Wir haben die Linie klar fortgeführt, mit der wir 1990 angefangen haben. Nachdem unser zweites Demotape über 900mal verkauft worden war, hatten wir uns überlegt, endlich mal eine Single zu machen, weil wir damit endlich mal überregional Auftritte bekommen wollten; es war nämlich langweilig, in allen Jugendhäusern rund um Stuttgart zum zehntenmal zu spielen.
Der Entschluß, ein eigenes Label zu gründen, war von uns nicht mit diesen »dufte DIY-Getue« verbunden, wie es heute so modisch ist (wobei ich das durchaus für sehr wichtig halte) – aber es wollte einfach keiner mit uns eine Platte machen. Wir waren dann eben die Typen, die nicht gewartet haben, daß was passiert, sondern haben einfach mal selber geguckt. Wie wir das Ziel, nämlich mehr Auftritte woanders als bisher zu machen, verwirklichen könnten. Es ist mir ganz wichtig, daß es uns immer darum ging, Live-Konzerte zu machen. Wir haben Platten anfänglich nur als Mittel zum Zweck gesehen, als Medium, um unsere Musik für Interessierte und Veranstalter greifbar zu machen.
Wir haben 1990 unsere erste Tour durch Deutschland nur mit einer Demo-Cassette gebucht. Das war für damalige Verhältnisse eine coole Leistung, und es waren fast zwanzig Gigs bis ganz in den Norden. Das haben wir nicht gemacht, um jemandem irgendwas zu beweisen oder Geld zu verdienen (wir mußten alle irgendwelche Scheißjobs machen, um so eine Tour zu finanzieren), sondern darum, daß es uns immer Spaß gemacht hat, Konzerte in fremden Städten zu spielen, Leute zu treffen, die genauso dämlich waren wie wir und Deutschpunk geil fanden, und einfach aus unserem beschissenen Sindelfingen wegzukommen. Aus der Zeit haben wir noch etliche gute Freunde und Bekannte. die genau wie wir in der Punkrock-Szene »gewachsen« sind.
ZAP: Heute gebt ihr aber keine Konzerte mehr im Jugendzentrum in der Kleinstadt. Keinen Bock mehr?
Axel: Auf einer der vielen langen Busfahrten haben wir mal nachgerechnet, wie viele Konzerte wir seit Herbst 87 mit WIZO gegeben haben, und sind bei knapp 500 gelandet. Ich kann behaupten, daß etwa drei Viertel davon in Jugendhäusern oder Ähnlichem stattgefunden haben. Für uns war’s deshalb auch keine Schande, daß wir mal keinen Bock mehr hatten, im 400. Jugendhaus mit mieser PA, Scheiß-mit-Reis-Fraß, durchwanzten Matratzen und – ganz wichtig! – Cordhosen-Sozialarbeitern aufzutreten. Die Aussicht auf größere Clubs war für uns deswegen nicht ehrrührig; da ging’s schlichtweg um die Weiterentwicklung, daß man nicht stehenbleiben wollte und mal was anderes erleben wollte.
Die Leute, die uns zur damaligen Zeit in einem Jugendhaus erlebt haben und vielleicht heute in einem großen Club sehen, bemängeln unserer Ansicht nach ganz zu recht, daß die Konzerte nicht mehr so eine persönliche Intensität haben. Ich kann sie zu der Meinung nur beglückwünschen, weil unser ganz typisches WIZO-Gepöbel, für das wir damals berüchtigt waren, in einem großen Club einfach wegfallen mußte – weil’s nicht funtkioniert. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß ich’s nicht auch irgendwie vermissen würde.
ZAP: Dann spiel doch einfach mal wieder in so ‘nem Jugendhaus!
Axel: Den Vorschlag machen uns komischerweise immer wieder die Leute, und wir haben uns das wirklich mehrfach ernsthaft überlegt. Es spricht nur leider auch vieles dagegen. Wenn du in einem kleinen Jugendhaus spielst, wo nur 200 Leute reinpassen und vielleicht 1000 Leute kommen werden, um uns zu sehen, wie willst du rechtfertigen, daß 800 Leute im Gegensatz zu einer kleinen Elitegruppe Auserwählter vor der Tür stehen müssen?
ZAP: Dann mach doch einfach ganz wenig Werbung!
Axel: Es macht ja wohl keinen Unterschied, wenn 800 Leute vor der Tür stehen oder wenn sie hinterher mitkriegen, daß sie gar keine Chance hatten, uns zu sehen. Bloß weil da ein paar Glück gehabt haben, die Information rechtzeitig mitzukriegen, heißt das doch noch nicht, daß sie die besseren Fans sind. Ganz im Gegenteil: Wenn wir kleine Geheim-Konzerte gemacht haben, war die Anzahl der Arschlöcher eher größer.
ZAP: Deshalb also lieber das »Longhorn« in Stuttgart oder die Fabrik in Hamburg anstelle der Villa Roller in Waiblingen oder der T-Stube in Rendsburg?
Axel: Ich will mich von dir nicht auf ein »lieber« festlegen lassen. Um ein Konzert zu sehen, gehe ich auf jeden Fall lieber in die Villa Roller als ins Longhorn. Aber wenn ich eins gebe, möchte ich, daß die Leute, die wegen uns von weither anreisen, Eintritt zahlen und sich womöglich noch darauf gefreut haben, auch die Chance haben, uns zu sehen und was von dem Konzert mitzukriegen. Und jeder, der mal in einem supervollgestopften Jugendzentrum war, weiß, daß er vom Konzert selber nicht mehr unbedingt viel mitkriegt, wenn er nicht gerade in der ersten Reihe steht ...
ZAP: ... ist ja auch unbequem ...
Axel: Zu dem Zeitpunkt, als wir die Jugendhäuser ausverkauft hatten, hatten wir überdurchschnittlich viele Verletzte auf Konzerten. Könnte man zwar cool finden, ist aber extrem nervig, wenn du dir ständig scheiße vorkommst, weil sich wieder irgendwer was gebrochen hat auf so einem Konzert. Und ich fühle mich immer sehr verantwortlich für die Leute.
ZAP: Wieso Verletzte?
Axel: Todespogo, Idioten-Stagediving ... Und man darf nicht vergessen, daß damals die Leute am meisten gejault haben, wenn sie in einem kleinen JuZ nichts vom Konzert mitbekommen haben und ständig von irgendwelchen Assis über den Haufen gepogt wurden.
ZAP: Gut, sehen wir uns mal das ganze vom Geld her an. Longhorn – das sind rund 1500 Leute. Jeder zahlt 20 Mark Eintritt. Macht 30.000 Mark. Zu deutsch: Mittlerweile fließt bei einem WIZO-Konzert voll die Kohle. Wie kommst du dir da vor?
Axel: Zum Glück muß ich dir nicht erklären, wieviel Geld es kostet, so ein Konzert zu organisieren und wie viele Leute daran hängen, die auch alle Geld bekommen. Von daher ist dir zum Glück klar, daß das, was übrig bleibt, ziemlich überschaubar ist.
ZAP: Gut getrickst, schön rausgeredet. Man redet von fünfstelligen Beträgen, die ihr pro Konzert fordert.
Axel: Wir fordern genau das Geld, was bei einem Konzert »hängenbleibt«. Wobei wir natürlich weder Bock darauf haben, einen Veranstalter auszubeuten, noch es einsehen, daß er für ein einzelnes Konzert, das er mit WIZO veranstaltet, mehrere tausend Mark verdient. Das wäre dann doch des Guten zu viel, und Konzertveranstalter dieser Dimension sind im allgemeinen keine Leute, die das aus purem Spaß an der Freud’ machen. Und selbst wenn das, was hängenelbit, im Einzelfall ein großer Batzen Geld zu sein scheint, muß man sich ja überlegen, wie viele Konzerte wir mit WIZO geben können und daß wir den Rest der Zeit nicht nur unsere Miete sondern auch einen Haufen Leute, die für uns arbeiten, bezahlen müssen. Auch wenn wir natürlich von Platten einiges an Kohle bekommen. Wenn ich aber trotzdem nachrechne, wie viel Geld wir in die Band gesteckt haben, bevor überhaupt etwas zurückkam, so sind wir noch nicht besonders lange auf der »Habenseite«. Und wenn man mal bedenkt, daß WIZO ein Job für mindestens vier Leute bedeutet, der durch unsere DIY-Scheiße so viel Arbeit bedeutet, daß wir uns um nichts anderes mehr kümmern können und wohlgemerkt wollen, dann verdienen wir im Monat immer noch nicht so viel wie ein normaler Arbeiter.
ZAP: Ist es überhaupt noch Punkrock, von der Band zu leben? Um den Standardspruch zu bringen: Früher war das ja nicht so ...
Axel: Für mich ist es wesentlich weniger Punkrock, den Kopf in den Arsch von irgendeinem Chef zu stecken. Eine Band zu haben, bei der wir völlige Kontrolle haben, über das, was mit uns geschieht, und damit das Geld für meine Miete aufbringen zu können, ist für mich die konsequenteste Fortführung der Idee, Punkrock als ein »selbstbestimmtes Leben« zu führen.
ZAP: Die Kritiker werfen euch aber vor, kommerziell zu denken und nur Kohle scheffeln zu wollen.
Axel: Wir sind nicht kommerzieller als 1990, als wir unsere erste Single rausgebracht haben. In diesem Stadium haben sich schon viele Bands vor uns befunden. Damals hatten wir vor, die ersten tausend Stück zu verkaufen und nicht, uns die Singles selbst ins Regel zu stellen. Die Erfahrung hat übrigens gezeigt, daß ausgerechnet die Leute rumstressen, die beleidigt sind, daß sie nicht mehr die einzigen sind, die WIZO kennen.
ZAP: Also so was wie enttäuschte Liebe?
Axel: Als ich mit 17 die Ramones geil fand und festgestellt hab’, daß ein Typ zwei Klassen unter mir auch ein Ramones-T-Shirt hatte, hab’ ich mindestens zwei Jahre gebraucht, bis ich wieder eine Ramones-Platte angefaßt habe. Ich kann dieses Gefühl nachvollziehen und nehm’s im Prinzip keinem übel. Das Problem entsteht halt, wenn diese Milchmädchenrechnungen und Vorwürfe soweit gehen, daß uns Sachen vorgeworfen werden, gegen die wir uns schon immer mit völliger Entschiedenheit gestellt haben.
ZAP: Das kapiere ich nicht ...
Axel: Klar klingt das blöd, wenn ich dir sage, daß wir mittlerweile Angebote von allen großen Major-Labels auf dem Tisch hatten. Und wenn ich dir jetzt erzähle, wie viele Interviews in Jugendmagazinen ich ausgeschlagen habe, wie viele Fernseheinladungen wir nicht angenommen haben und welche Diskussionen wir mit unserem Vertrieb haben, weil wir Chart-Promotion weniger wichtig finden als Anzeigen in A5-Fanzines ... Aber das sind Sachen, die sind selbstverständlich für uns.
ZAP: Also lieber in die eigene Tasche wirtschaften als für andere?
Axel: Als wir alle noch aus der eigenen Tasche gewirtschaftet haben, fanden’s alle geil. Nur wenn du in die eigene Tasche wirtschaftest, bist du plötzlich ein Kommerz-Arsch. Wir wollen mit der Band einfach nicht stehenbleiben. Das heißt, wir wollen auch gerne mal in ein gutes Studio gehen und eine Platte so aufnehmen, wir wir das für richtig halten. Dafür brauchen wir die Voiraussetzungen. Wir wollen auch gerne Konzerte in Clubs geben, in denen wir vorher noch nicht gespielt haben, oder in Ländern, wo wir sonst noch nie waren. Es geht uns immer um die Fortentwicklung an sich. Und die Sache mit der Kohle ist etwas, was von uns nie so wichtig genommen wurde und sich einfach aus diesem Fortschreiten und dem damit gewachsenen kommerziellen Erfolg der Band ergeben hat.
ZAP: Du willst mir doch nicht weismachen, daß ihr nie mit einem Erfolg und mit richtigem Geld gerechnet habt?
Axel: Aber hoppla! Hättest du mir 1989, als du das erste Konzert mit WIZO im JuZ Freudenstadt veranstaltet hast, gesagt, ich würde einmal auch nur so viel Geld mit der Band verdienen, daß ich mir davon Gitarrensaiten kaufen kann, hätte ich dir wahrscheinlich aufs Maul gehauen, weil ich gedacht hätte, du wolltest mich verarschen.
ZAP: Na ja ... (Gelächter)
Axel: Als wir die »Uuaarrgh« aufgenommen haben, und die war wirklich nicht teuer, mußten wir uns noch Kohle leihen, um die Pressung bezahlen zu können. Das war uns damals aber scheißegal; wir wollten die Platte rausbringen, weil wir Bock drauf hatten. Überhaupt haben wir alles, was wir mit WIZO gemacht haben, deshalb gemacht, weil wir Bock darauf hatten. Wir machen nicht nur alles selber, wir sind auch für alles, was mit WIZO zu tun hat, unmittelbar verantwortlich. Wir waren in der Bravo, weil wir das lustig fanden, als kleine Pißband aus Sindelfingen im größten Pickelblatt Deutschlands zu sein. Wir haben auch anschließend beschlossen, nie wieder mit der Bravo irgendwas machen zu wollen, weil sie – und das hätte uns vorher klarsein müssen –, nicht geeignet sind, die Aussage einer Band wie WIZO auch nur andeutungsweise rüberzubringen. Ich will damit sagen, wir sehen es nicht als Fehler, weil wir’s nach wie vor witzig finden – wir sind aber selbst dafür verantwortlich. Das gleiche gilt für die Viva-Sendung, die wir moderiert haben. Die flehen uns immer noch an, daß sie so viele Anfragen für ein Video von uns hätten. Wir haben aber keinen Bock darauf. Wir haben auch alles andere, was tatsächlich bei uns stattgefunden hat, komplett selbst zu verantworten. Ohne jetzt heulen zu wollen: Ich habe sämtliche Vorstrafen nur wegen Sachen, die ich mir mit WIZO eingebrockt habe.
ZAP: Beispiele?
Axel: Diverse Beamtenbeleidigungen. Ganz zu schweigen von Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchungen und Schadensersatzforderungen. Trotzdem bereuen wir nichts und stehen zu allem, was wir gemacht haben. Unter anderem dazu, daß wir die Böhsen Onkelz schon immer scheiße fanden und uns deshalb viel Unverständnis bei unseren Fans und bei vielen Veranstaltern und anderen Musik-Business-Leuten eingehandelt haben.
ZAP: Wenn jemand euch viel Geld bietet, um mit den Onkelz auf einem Open Air zu spielen, was ist dann?
Axel: Vergiß es! Ganz einfach. Das gleiche gilt übrigens für Type-O-Negative. Mittlerweile Rammstein. Und alle anderen fragwürdigen Zeitgenossen.
ZAP: Würdet ihr auf einem APPD-Parteitag spielen?
Axel: Spinnst du? Damit ich als einziger Streß habe, während die anderen feiern können? Auf APPD-Veranstaltungen bin ich im Gegensatz zu meinem schwäbischen Privatleben überzeugter Pogo-Anarchist gegen jegliche Anstrengung.
ZAP: Bist du überhaupt Mitglied?
Axel: Ja klar. (Axel zückt den Auweis, Mitgliedsnummer 02356). Ich bin auch ZAP-Abonnent.
ZAP: Bekennender?
Axel: Wenn ich ein Foto anfügen dürfte ... (Er zeigt ein Foto, das ganz eindeutig Moses Arndt zeigt, wie er sich über die geöffnete Hose Axels beugt. Was Moses da genau in der Hand hält und bläst, läßt sich leider nicht eindeutig feststellen.)
ZAP: Ob das der Chef erlaubt? Mal sehen.
Axel: Hier stellt sich die Frage, wer wem was erlaubt. Ich bin mindestens drei kÖpfe größer als er.
ZAP: Liest du außer ZAP, Capital und Musik-Woche sonst noch irgendwas?
Axel: Ich bin kein Collector, aber ich kaufe grundsätzlich jedes A5-Fanzine, das mir auf Konzerten in die Finger kommt. Bei A4ern möchte ich schon intensive Verkaufsgespräche mit den Verfassern führen.
ZAP: Die sind ja auch so unhandlich.
Axel: Und passen nicht in die Innentasche meiner Nietenlederjacke. (Gelächter) Ich glaube, daß ich so halbwegs weiß, was in Deutschland auf dem Punkrock-Sektor abgeht. Übrigens finde ich das Plastic Bomb besser als das ZAP.
ZAP: He, Moment mal!
Axel: So gut wie Hullaballoo oder Enpunkt ist aber keines von beiden.
ZAP: Noch mal Glück gehabt ...
Axel: Plot finde ich auch toll ... (allgemeines Gelächter)
ZAP: Bevor’s jetzt ausartet. Du giltst als arrogante Drecksau ...
Axel: Das sind doch alles Würmer, die so was behaupten. Aber Spaß beiseite! Es ist schon unglaublich, wie viele Leute glauben, mich zu kennen, nur weil sie eine Platte von uns haben. oder weil sie mich mal gesehen haben, wie ich auf einem Konzert rumgestanden bin. Und ich wundere mich immer wieder, daß mir ausgerechnet solche Leute vorwerfen, arrogant zu sein, die mir auf einem kleinen Juze-Konzert, auf die ich nach wie vor am liebsten gehe, über den Weg laufen und doch eigentlich mitkriegen dürften, daß ich auch nur ein dummer Punker-Depp bin.
Die Leute, die mich für arrogant halten, stellen mich wohl meistens auf eine höhere Position, als ich mich selbst sehe, und wenn ich rumpöble, dann mache ich keinen Unterschied, wen ich anpöble. Wenn der mich zufällig als den großen Axel von WIZO betrachtet, habe ich wohl Pech gehabt.
ZAP: Wenn das mal kein schönes Schlußwort ist, großer Meister.
Axel: Darf ich noch was sagen?
ZAP: Hm. Werbeeinblendungen kosten aber Geld.
Axel: Na gut. (Okay, Axel, ein Schlußwort haben wir ganz vergessen...)



Kategorie:Interviews