WIZO - DER-Tour (2016) - Tourbericht
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Dieser Artikel ist ein Review zu WIZO |
Tourbericht WIZO - DER-Tour (2016)
Gerade mal zwei Jahre war es her! Im Falle von WIZO muss das betont werden! Zwei Jahre, nachdem das so lang erwartete Album „Punk gibt’s nicht umsonst (Teil III)“ eingeschlagen ist wie eine Bombe, das völlig aus dem Nichts auf einmal da war und alle Zweiflerinnen und Zweifler, die nicht mehr an eine neue WIZO Platte geglaubt hatten, zu Überzeugten gemacht hat. Und auf der dazugehörigen 2014er großen Herbsttour hat die Band so dermaßen abgeräumt, dass wir von der WIZO-Crew sie fast jeden Morgen kneifen mussten, um klar zu machen, das ist alles Realität. Das alles beschreibe ich nochmal, damit man versteht, was das alles mit WIZO gemacht hat. Denn eine Regelmäßigkeit in Sachen Plattenveröffentlichung und Tour hat es schon seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gegeben. Aber durch diese Erfahrungen 2014, das Feedback und die entgegengebrachte Liebe auf der Tour, war die Lust bei WIZO wieder riesengroß. Und so stand also schon zwei Jahre später wieder ein neues Album in den Plattenregalen und dazu einige Festivalauftritte und eine große Clubtour auf dem Programm.
Zur Formation von 2014 hat sich die Position am Schlagzeug geändert. Sehr schade, dass Thomas Guhl leider nicht mehr die Möglichkeit hatte, in einer Band dieser Größenordnung zu spielen. Aber als der kurz nach der letzten Tour plötzlich Erbe eines riesigen Pferdehofes wurde, musste er diese Entscheidung treffen, denn einen solchen Hof zu managen ist wohl ein 24-Stunden-Job. Allerdings ist Alex Stinson als neuer Schlagzeuger wie geschnitzt für WIZO, so dass der Abschied von Thomas ein bisschen erträglicher wird. Alex ist nicht nur ein hervorragender Trommler, er ist auch ein ganz lieber Kerl und tut der Band unheimlich gut. Dazu senkt er den Altersdurchschnitt erheblich! Also ein echter Volltreffer!
Das erste Festival 2016 führte WIZO nach über 18 Jahren zurück nach Kanada. Auf dem gigantischen Amnesia Rockfest spielten sie inmitten eines monströsen Line-Ups. Ich selbst war nicht mit dabei, möchte es aber trotzdem kurz erwähnen, weil mich diese Geschichte für einen guten Freund extrem freut. Vor über zehn Jahren habe ich via MySpace einen Radio DJ aus Quebec namens Eric Bedard kennengelernt. Er hatte die Seite meiner Band befreundet und entpuppte sich als Liebhaber deutscher Punkrockmusik und megagroßer WIZO-Fan. Schon damals erzählte er mir, es sein ein Traum von ihm, einmal im Leben WIZO live zu erleben. Zu der Zeit sah es jedoch so aus, als sollte es ein Traum bleiben, denn WIZO existierte ja nicht mehr. Wir haben über die Jahre den Kontakt gehalten und immer wieder geschrieben. Er hat auch fleißig meine Songs in seiner Radioshow „Prescription Punk Rock“ gespielt, ein toller Typ! Und als er vor einigen Jahren Teil des Orga-Teams des Amnesia Rockfest wurde hat er sich immer wieder bemüht, WIZO zu dem Festival einzuladen. Für eine einzige Show ist es allerdings eine sehr aufwendige und kostspielige Sache für eine Band, eine solche Reise anzutreten. Eric’s Hartnäckigkeit hat sich aber ausgezahlt und so hat er es 2016 tatsächlich geschafft, seinen Traum zu verwirklichen. Geil, oder? Übrigens hat WIZO natürlich auf dem Rockfest abgeräumt. Denn auch wenn die letzte WIZO-Veröffentlichung „Kaut & Rüben“ auf Fat Wreck Chords noch aus dem letzten Jahrtausend stammt, so erfreut sich die Band besonders im französisch sprechenden Kanada nach wie vor größter Beliebtheit. Und da NOFX ebenfalls auf dem Festival spielten ließ es sich Fat Mike nicht nehmen, den Auftritt von WIZO mit glänzenden Augen am Bühnenrand zu verfolgen. Die weitere Festivalreise führte u.a. zum Ruhrpott Rodeo, aufs Open Flair und zum Taubertal-Festival, ehe es dann im Herbst für 26 Konzerte auf die große DER-Tour ging.
Wir trafen uns alle am 03.11., am Vortag des Tour-Starts, im LKA in Stuttgart, wo WIZO die Generalprobe unter Wettkampfbedingungen durchführte. Zwar ohne Publikum, aber eben mit Bühne inkl. Bühnenbild, Licht und kompletter PA. Die Crew war identisch zu 2014, nur Lichtmann Steffen war verhindert, so dass Ralf-Peter für ihn einsprang. Dadurch war vieles einfacher, wir kannten und mochten uns ja alle, es war irgendwie sofort wieder eingespielt. Es gab noch eine Menge zu tun. Niki und ich haben uns wieder um das komplette Merchandising gekümmert und das Rehearsal dazu genutzt, mal der Merchstand aufzubauen, Preisschilder zu basteln, Bestände zu zählen und alles hübsch zu machen. Falk hat an seinem Mischpult den Sound optimiert, Ralf-Peter auf seinem Lichtpult die einzelnen Lichtstimmungen für die Songs programmiert, während Bühnenchef Martl die Gitarren neu besaitet, gestimmt und sich den Ablauf der Show eingeprägt hat, um Axel die richtige Gitarre zum jeweiligen Song einsatzbereit anreichen zu können. Tourmanager Fratz und PR- und Tür-Chefin Iris haben mit dem Scannersystem für den Einlass gekämpft und dafür gesorgt, dass alle mit Tourpässen und Itineraries ausgestattet wurden. Als jeder seinen Scheiß erledigt hatte wurden LKW, Sprinter und Bus gepackt, denn am nächsten Tag ging es endlich zum Tour-Auftakt in die Posthalle nach Würzburg.
Die Posthalle ist ziemlich groß, geschätzt finden hier gut 2000 Leute Platz. Also es stand kein kleines Warmspielkonzert auf dem Zettel, es ging direkt in die Vollen! Als wir nachmittags in Würzburg ankamen hat es sich schon fast wieder wie 2014 auf der Tour angefühlt. Jeder wusste was er zu tun hat, ein eingespieltes Team, das macht richtig Spaß! Als WIZO mit dem Soundcheck fertig war kamen Die Abstürzenden Brieftauben in die Halle gestolpert, sie waren für einen Teil der Tour als Supportband verpflichtet worden. Super nette Jungs, mit denen wir eine tolle Zeit haben sollten, egal ob Micro und Olli als Band oder Fabsi und Benni von der Crew. Alles sehr unkomplizierte Zeitgenossen, die genau wie wir total Bock auf diese Tour hatten. Endlich Einlass, die Fans kamen in Scharen in die Posthalle geströmt, es war schnell abzusehen, dass es richtig voll wird. Einige deckten sich schon zu Beginn bei uns am Merchstand mit neustem WIZO-Kram ein. Kein schlechter Plan, denn wir kamen ja kaum nach mit dem Verkaufen hinterher und die ein oder andere T-Shirt Größe drohte schon am ersten Abend auszugehen. An dieser Stelle muss allerdings auch mal erwähnt werden, dass wir eine tolle Druckerei in der Hinterhand hatten, die uns mehrfach während der Tour mit Nachbestellungen beliefert hat, teilweise auch von einem auf den anderen Tag. Großer Sport! So konnten wir auf der ganzen Tour dafür sorgen, dass nahezu das komplette Portfolio an WIZO-Merch zur Verfügung stand und nur einige wenige Dinge irgendwann nicht mehr zu bekommen waren. Es gab übrigens wieder extrem schicke Motive, einige davon sind auch heute noch bei punk.de zu bestellen, andere gab es nur exklusiv auf der Tour. Ob das „Punk statt Religion“-Shirt im IS-Design, das „Trümmerfert“-Shirt, also Ferti in der Trümmerkulisse des Covers vom DER-Album und hinten mit dem Spruch „Kampf den Herrschenden, nicht den Flüchtenden!“, oder das „Apocalypso“-Shirt in Anspielung auf den gleichnamigen Song der neuen Platte, alles wurden neben vielen anderen Artikeln wie z.B. den ultraschicken Turnbeuteln mit gleichem Aufdruck echte Renner auf der Tour. Wen wundert’s, wenn das neue Lieblings-T-Shirt auch noch ein echtes Statement bereithält, das dem AfD-Deppen aus der Nachbarschaft die Zornesfalte auf die Stirn treibt?
Die Abstürzenden Brieftauben eröffneten den Abend. Sie spielten neben ihren unzähligen Hits auch viele Songs von ihrem neuen Album „Doofgesagte leben länger“. Die Brieftauben waren Anfang der 90er nach Slime die zweite Punkband, mit der ich in Berührung kam und seitdem bin ich Fan. Leider hab ich sie damals nie live sehen können, so war es jetzt in der Posthalle eine Premiere für mich. Olli, der „Neue“, tut dem Ganzen unheimlich gut. Nach dem Tod von Konrad K. hatte Micro es ja immer ausgeschlossen, die Brieftauben nochmal zu beleben. Aber Olli hat ihn wohl überzeugen und ein bisschen überreden können und zum Glück passt das mit den beiden jetzt so gut zusammen. Auch das Publikum kannte natürlich alle Songs und sang lauthals mit. Gut gemacht, jetzt kann der WIZO kommen!
Das Intro der WIZO-Show kannten schon einige von den Festivals im Sommer, eine Instrumentalversion von „Adagio“ mit Klaviermelodie, Blasorchester-Snaredrum und zum Ende hin Mickey Mouse-Synthesizer. Dazu strahlt das liebevolle Bühnenbild in grünem Licht, das Banner ziert das Cover des DER-Albums, Boxen und Cases sowie Schlagzeug, Bass und Gitarren sind im Design des Banners beklebt, es fügt sich alles zu einer Einheit zusammen, extrem hübsch. Dann entern Alex und Axel die Bühne. Axel dirigiert die singende Meute, ehe er selbst „Adagio“ anstimmt. Als Bass und Schlagzeug einsetzen und Ralf einen seiner halsbrecherischen Sprünge vom Schlagzeugpodest macht ist das auch der Startschuss fürs Publikum, von da an komplett auszurasten. Es gibt kein Halten mehr, Bierbecher fliegen durch die Luft und auf die Bühne, wildes Hüpfen und Pogen, wirklich jeder gröhlt so laut wie möglich mit, die Stimmung ist einfach nur genial gut. Es folgten der Kracher „Raum der Zeit“ – auf der kompletten Tour schien die PA nicht leistungsstark genug, weil dieser Song vom Publikum so unfassbar laut mitgesungen wurde, dass man die Musik nur im Hintergrund wahrnahm – „Diese Welt“ und die „Seegurke“, bevor „Das goldene Stück“ zeigte, dass leider auch heute noch über 20 Jahre alte Lieder nichts an Aktualität verloren haben. Zum Outro des Songs konnte sich das Publikum Abend für Abend durch Pogo-Walzer-Qualitäten beweisen, in den meisten Fällen hat es das auch fehlerfrei getan. „Der Käfer“ wurde im Laufe der Tour ein bandinternes Insider-Highlight auf den Shows; das Singen und Wiederholen des Wortes Stachel wurde ad absurdum geführt und von den Fans als die Möglichkeit erkannt, mal ihre Mittelfinger-Stachel zu zeigen. Direkter Übergang in den Riesenhit „Hey Thomas“, eine allabendliche Bewährungsprobe für die Fußböden der Clubs, die wohl noch niemals zuvor einem derartig kollektiven Springen ausgesetzt waren. Neben „Adagio“ gab es vom neuen Album die Lieder „Verwesung“, „Antifa“, „Wahlkrampf“ und als erste Zugabe „Apocalypso“ zu hören. Dazu kam die Band mit Burkas verkleidet zurück auf die Bühne, bevor zum Ende des Liedes Schlauchboote ins Publikum geworfen wurden. Das hatte wie so oft bei WIZO einen ganz besonderen Charme. Natürlich fehlten die All-Time-Favorites wie „Quadrat im Kreis“, „Kopfschuss“, „Ganz klar gegen Nazis“, „Gute Freunde“ und „Kein Gerede“ nicht, besonders gefreut habe ich mich allerdings über die alten und mittelalten Perlen „Klebstoff“, „Jimmy“ und „Egon“. Diese Songs hat man lange nicht mehr bzw. noch nie live gehört, dabei sind es doch so schöne Nummern. Zu „Egon“ hat Schlagzeuger Alex sogar Trompete gespielt, es war fast herzzerreißend. Beendet wurden die Konzerte mit der traurigen Reggae-Ballade „Kein Empfang“ und dem bitterbösen „Alte Frau“. In den über zwei Stunden Spielzeit wurde alles und noch viel mehr geboten, was man auf einer WIZO-Show erwarten kann. Super duper gut!
Die Route der Tour war ähnlich wie 2014 bzw. waren wir in vielen Städten und Clubs, die wir schon von damals kannten. Mega Highlights waren wieder Hamburg, Köln, Wiesbaden, Berlin, München, 2x (!) Wien und natürlich 2x Stuttgart zum Schluss. Nach der ersten Tourwoche wurden die Brieftauben für zehn Shows als Supportband abgelöst von einer französischen Band mit dem Namen Les 3 Fromages. Diese drei Käse waren zu viert, ebenfalls superliebe Jungs und eine großartige Band. Tolle Musik, sehr poppiger Punkrock würde ich sagen, natürlich auf Französisch gesungen mit viel guter Laune und eingängigen Melodien. Wir haben großen Spaß zusammen gehabt, auch aufgrund kleinerer Sprachbarrieren war es sehr lustig. In Frankreich ist die Band übrigens eine richtig dicke Nummer, die spielen da in 1000er Clubs und größer, zurecht! Einfach mal auschecken, lohnt sich! Für die letzten vier Konzerte hatte der WIZO Swiss & Die Andern engagiert. Die Band ist im letzten Jahr ziemlich abgegangen und hat auf einigen Festivals richtig abgeräumt. Ein Mix aus Punkrock und Hip Hop, der gerade bei den Jüngeren ziemlich gut ankommt. Leider war die Zeit mit den Swissis zu kurz, als dass es so innig wie mit den Tauben und Käsis hätte werden können. Nichtsdestotrotz eine coole Truppe, mit denen wir Späßchen hatten.
Eine Geschichte will ich noch erzählen, auch aus der Kategorie „Träume werden wahr mit WIZO“ und ein bisschen ähnlich wie bei Eric, dem Radio DJ aus Kanada. Es gibt da einen Typen aus Mexiko, Hector, seines Zeichens WIZO-Ultra, Gitarrenspieler und Sänger seiner wirklich richtig guten Punkband Dickens und Fan des deutschen Punkgenre. Auch dieser Hector hat sich vor knapp zehn Jahren mit mir bei MySpace befreundet, mit seiner Band sogar mal einen Song meiner Band gecovert und auf Deutsch (!!!) gesungen und in Gesprächen hat er immer wieder erzählt, dass WIZO seine absolute Lieblingsband ist und was sie ihm alles bedeutet. Auch er wollte WIZO unbedingt mal live sehen, aber bisher hatte er nie eine Gelegenheit gefunden, ist ja auch nicht gerade um die Ecke von Mexiko mal eben zum WIZO-Konzert. Diesmal hatte er es aber endlich geschafft. Mit seiner Frau hat er eine Europarundreise gebucht und ist dann bei der Show in Bruneck in Südtirol aufgetaucht. Das muss der Tag seines Lebens gewesen sein. Natürlich wusste vor allem Axel um Hector’s großen Wunsch und so hat die Band ihn nach der Show kurzerhand in den Backstage eingeladen und eine spektakuläre Hector-Aftershow-Party mit ihm gefeiert. Überragend, wie Musik verbindet, wie Musik vereint! Scheiß auf die Sprache, Musik kann auch wortlos Inhalte transportieren. Das zeigen Hector oder Eric, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, auf bewundernswerte Art und Weise.
Aber natürlich ist auch die Sprache eine extrem wichtige Komponente bei WIZO und auf einem WIZO-Konzert. Es sind nicht nur die großartigen Lieder, die ein solches Erlebnis zu etwas Einzigartigem machen. Die Band präsentiert sich als außergewöhnlich homogene Truppe, man spürt förmlich den Spaß und die Spielfreude, die sie haben. Was ich aber ganz wichtig finde, WIZO hat immer noch etwas zu sagen! In der heutigen Zeit ist es leider nicht mehr selbstverständlich, vielleicht auch mitunter unpopulär, dass man sich als Punkband auf die Bühne stellt und sich ganz klar gegen Nazis äußert. Aber gerade das sollte man erwarten dürfen, ja müssen! WIZO tun das, schon immer und das wirkt nicht aufgesetzt. Sie erreichen damit vielleicht auch ein paar „Unentschlossene“, auf jeden Fall aber nehmen sie ihre Verantwortung verdammt ernst und machen das aus Überzeugung. Das merkt man, das nimmt man ihnen ab und das nennt man Authentizität. Darüber hinaus hat WIZO einen sehr hohen Anspruch an sich selbst. Das sieht jeder, der mal eine Show der Band besucht hat. Bühnenbild, Licht und Sound sind absolut perfekt aufeinander abgestimmt, man will dem Publikum etwas bieten, mitreißen, einen unvergesslichen Abend bereiten. Dieser Anspruch ist aller Ehren wert und auch diesem Anspruch wird WIZO gerecht. Ich kann dieser Leistung nur mit größter Bewunderung und Respekt begegnen und finde es toll, was WIZO immer wieder auf die Beine stellt! Danke für die gute Zeit! Kategorie:ReviewsKategorie:Reviews zu WIZO