Kommunistischer Widerstand im 3. Reich 21
Über Verbindungsleute erreichte man auch sozialdemokratische Kreise, die der Bewegung um den 20. Juli 1944 nahe standen. Gemeinsam mit Franz Jacob traf Saefkow am 22. Juni 1944 in Berlin mit Julius Leber und Adolf Reichwein zusammen. Die Kontaktaufnahme am 22. Juni 1944 hatte katastrophale Folgen. Ein auf KPD-Seite von der Gestapo eingeschleuster Spitzel lieferte beide Gruppierungen ans Messer [52] . Saefkow und Jacob wurden am 4. Juli 1944 verhaftet, Bästlein war schon am 30. Mai 1944 der Gestapo in die Hände gefallen. In 60 Prozessen gegen fast 200 Beschuldigte erging in 71 Fällen ein Todesurteil. Jacob, Bästlein und Saefkow wurden am 5. September 1944 zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 in Brandenburg hingerichtet. Insgesamt bezahlten über 90 Männer und Frauen aus Berlin und Brandenburg ihr mutiges Eintreten mit dem Leben.
Alle diese Gruppen verbreiteten nicht nur Flugblätter und Informationsmaterialien, sondern bauten auch Betriebsgruppen auf und agierten unter den Soldaten in Deutschland und an der Front. Sie beschafften Waffen, Nachrichten und Ausweispapiere und sabotierten die Rüstungsindustrie. Auch wenn diese Sabotage wegen der relativen Isolation der Widerstandskämpfer und der Überwachung in den Betrieben von begrenzter Wirksamkeit war, störte man mit bescheidenen Mitteln die Rüstungsproduktion [53] .
Erst mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 definierte sich die Rolle der emigrierten deutschen Kommunisten in der Sowjetunion neu. Versuche sowjetischer Politoffiziere und deutscher Exilkommunisten, Einfluss auf Kriegsgefangene deutsche Soldaten auszuüben, blieben in Anbetracht der militärischen Erfolge der Wehrmacht weitgehend beschränkt. Erst mit der Kapitulation der 6. Armee Ende Januar 1943 im Südkessel Stalingrads und der Einstellung der Kämpfe im Nordkessel des Industrie- und Verkehrszentrums an der Wolga, wo Hunderttausende von Kriegsgefangenen gemacht wurden, bot sich jetzt den deutschen Exilkommunisten ein immer wichtiger werdendes Betätigungsfeld. Unter dem Makel des Verrats standen nun die deutschen Soldaten, die sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zur Opposition gegen den NS-Staat entschlossen. In enger Abstimmung mit der KPdSU und bis zur formalen Auflösung der Kommunistischen Internationale (Komintern) mit deren Spitzenfunktionär Dimitri Manuilski bereitete man die Gründung eines Nationalkomitees „Freies Deutschland“ (NKFD) vor [54] . Auf sowjetische Anordnung hin überarbeitete die KPD-Führung ihren Programmentwurf für das NKFD, bis er deren Vorstellungen entsprach. Am 12./13. Juli 1943 wurde im Kriegsgefangenenlager Krasnogorsk das NKFD unter dem Vorsitz des Schriftstellers Erich Weinert gegründet. Weinert, der das Grundsatzreferat hielt, propagierte die Rettung des deutschen Vaterlandes durch den Sturz Hitlers und erinnerte an die deutsch-russische Waffenbrüderschaft in den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Er appellierte zudem an den Patriotismus der Deutschen im Zeichen der schwarz-weiß-roten Fahnen des Kaiserreichs, mit denen auch der Saal geschmückt war [55] . Am 12. September 1943 kam es zur Gründung des Bundes Deutscher Offiziere (BDO) unter dem Vorsitz des Generals der Artillerie Walther von Seydlitz-Kurzbach im Lager Lunowo, zwei Tage später erfolgte die Fusion des BDO und des NKFD [56] . Hier gelang es, höhere Stabsoffiziere und Generäle der Wehrmacht zum Eintritt in das Nationalkomitee zu bewegen, was die Signalwirkung des Nationalkomitees erheblich erhöhte. Die Anleitung des NKFD erfolgte durch das Institut 99, dessen Mitarbeiter zum großen Teil aus dem Apparat der 1943 formal aufgelösten Komintern stammten. Knapp hundert deutsche Exilkommunisten befassten sich unter sowjetischer Leitung mit der „Arbeit unter den Kriegsgefangenen“. Für die Besetzung der Schlüsselpositionen griff die sowjetische Partei- und Staatsführung auf „bewährte“ KPD-Funktionäre zurück. Walter Ulbricht trug die Gesamtverantwortung, während Rudolf Herrnstadt, Karl Maron und Anton Ackermann die Presseorgane des NKFD betreuten. Unter diesen Rahmenbedingungen blieb wenig Raum für Initiativen von deutschen Kommunisten und Kriegsgefangenen. So gingen die Farben des NKFD „Schwarz-Weiß-Rot“ auf eine Anordnung Manuilskis zurück, der auch die NKFD-Mitgliedschaft von sudetendeutschen und österreichischen Kriegsgefangenen durchsetzte und damit zeigte, dass die deutschlandpolitische Perspektive der Sowjetunion 1944 durchaus noch großdeutsche Züge aufwies. In enger Abstimmung mit Georgi Dimitroff entwickelten die deutschen Kommunisten auf der Grundlage des Volksfrontkonzeptes das „Programm des Blocks der kämpferischen Demokratie“, das im Kern für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung mehrere Etappen vorsah und dabei die Interessen der sowjetischen Außenpolitik zu berücksichtigen hatte. Da die Kooperation mit den Westmächten so lange wie möglich fortgesetzt werden sollte, unterblieb eine direkte Umsetzung und offene Propagierung sozialistischer Deutschland-Vorstellungen. Die KPD sollte die politische Vorherrschaft in Deutschland erringen, das Bürgertum durch eine geschickte Bündnispolitik spalten und die deutsche mit der sowjetischen Wirtschaft verflechten [57] . Nach dem Moskauer Vorbild wurden in Deutschland gleichnamige Gruppen gegründet, die sich als überparteiliche Zusammenschlüsse gegen die nationalsozialistische Diktatur verstanden und diese aktiv bekämpften.
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