Ideal: "Berlin" 12/16

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Der nächste Tag würde einiges von mir abverlangen. Aber er würde mich auch belohnen mit frischer Luft und alten, vergammelten Häusern. Bevor ich mich am frühen Morgen von Archi verabschiedete, polsterte ich meine Schuhe mit Schleckers Einlegesohlen und prüfte die Spannung der Schnürsenkel. Alles Roger. Dann zog ich mir die Jacke über, sagte Tschüss und stand wenig später in der weltberühmten Berliner Luft. Die Scorpions hatten auch mir den Wind of change zugepfiffen, und so marschierte in erstmal ostwärts Richtung Gorbatschow, um mir das Dilemma aus nächster Nähe anzuschauen. Change kann ja etwas Gutes sein. Kann. Muß aber nicht. Als ich damals direkt nach dem Mauerfall zum ersten mal Ostberlin besuchte, war noch alles super. Die monströsen Plattenbauten zeugten von großer Dichtkunst, es gab Leuchtpropaganda mit coolen Sprüchen und einen halben Liter Bier für eine Mark fünfundsechzig. Man kann von der DDR halten, was man will, aber die Verdienste dieses Staates im Hinblick auf ästhetische Massenwohnbaukunst sind wohl unbestritten. Mir war zwar klar, daß der sozialistische Wohnungsbau nach zwanzig Jahren Westbeton relativ tot sein würde, aber ich wollte versuchen, auf meinem Trip zumindest ein wenig die Leiche zu fleddern. Die Scorpions hatten leider Recht. Es gab eine Menge Changes. Und die waren alle Scheiße. Ich hätte mir wirklich von Herzen gewünscht, wenn man nicht nur Hochhäuser und Bierpreise, sondern auch Bahnhöfe, Prestigebauten und die ganze Musik-Szene im Originalzustand belassen hätte. Ganz zu schweigen von Kleidung, Kosmetik und Frisuren, vielleicht sogar zum Anfassen. Statt zum Checkpoint Charlie würden die Touristen dann nach Marzahn und Lichtenberg ausschwärmen, stilecht in einem knötternden Trabant, und dann würden sie wieder nach Hause fahren und ihren jeweiligen Landsleuten von Ostberlin erzählen, wo man irgendwie viel mehr down to earth ist als in London oder Dubai.

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