Beobachter
Der Mann lief wie ein geknickter Ast an mir vorüber. Sieht echt lustig aus, brüllte der Zyniker in mir, hat Schmerzen, der alte Mann braucht Hilfe, mahnte der kleine Papst auf meiner anderen Schulter. Der Weltjugendtag war kaum vorüber, aber, mir fehlte die Lust am Helfen. Ich war kein Pfadfinder mehr, nur ein Bürger der ausruhte, eine rauchte und sich in der Rolle des Beobachters sehr wohl fühlte. Natürlich könnte ich hingehen und mir seine Leidensgeschichte anhören, Besorgnis heucheln und mich so hinstellen, dass ich seinen Mundgeruch nicht direkt abbekäme. Wenn es aber Ernst wäre, würde ich mich genötigt fühlen Erste, Zweite, und vielleicht sogar Dritte und Vierte Hilfe zu leisten. Nee, da bleib ich lieber nutzlos, wenn es ihm wirklich schlecht geht, kann er ja mich ansprechen, wenn er mich für seriös genug hält, überlegte ich mir. Außerdem sind ja auch noch andere Menschen da, und sterben wird der ja auch nicht gleich. Wenigstens mache ich mir Gedanken über ihn, ist ja schließlich auch schon was, ging es mir durch den Sinn. Ich bin kein Sanitäter, Arzt oder Krankenpfleger, quasi voll unterqualifiziert, sinnierte ich weiter. Ich bin nur da, ein Beobachter, kein Retter. Wäre ja noch schöner. Und wenn ich gar nicht hier wäre, könnte ich auch nichts für ihn tun. Ich bin hier zufällig, in meiner Freizeit. Jetzt ist der Kerl schon hundert Meter weiter weg, den Rest schafft der auch noch, davon gehe ich einfach mal aus, beruhigte mich mein Gewissen. Dann läuft der eben wie Geodreieck durch die Gegend, die Menschen haben nun mal ausgefallene Hobbys und seltsame Vorlieben. Vielleicht ist das auch eine neue Funsportart, von der ich noch nichts mitbekommen habe. Andere schleichen mit Skistöcken durch den Park und erzählen ihrem Nachbarn wie gesund das sei. Da hab ich doch nicht mit zu tun, oder biete an die verlorenen Skier zu suchen.
Vielleicht ist der Typ einfach nur besoffen, Alkies können ganz schön aggressiv und nervig werden, wenn man die bei ihrem Hobby stört. Dann war er weg. Schlimm so was, am Vormittag schon hackedicht, na ja, so sind die Leute, so ist sein Leben. Ich muss ja nicht für alles, was ich so sehe und mitbekomme Verständnis haben. Ich bin keine Instanz die alles be- oder verurteilen muss oder möchte, ich bin manchmal gerne einfach nur der Beobachter.
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