Karussell:+"Ehrlich+will+ich+bleiben" 1/1: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. August 2021, 12:15 Uhr

Manchmal sitze ich nachts in Unterwäsche in meiner Küche, höre die erste Platte von KISS und starre vor mich hin, ich meine, ich bin nicht weise oder sowas, aber ich hab halt konkrete Vorstellungen von einem aufrichtigen Leben. Gelegentlich bringe ich die Leute damit zum Lachen. Vor ein paar Tagen kaufte ich mir auf dem Weihnachtsmarkt einen Backfisch. Dabei entstand folgendes Verkaufsgespräch: "Einen Backfisch bitte. Sind da Gräten drin?" "Ja." "Gut, dann nehm ich einen." Was die umstehenden Passanten hörbar amüsierte, war von mir allerdings weder witzig gemeint, noch lustig gedacht, noch komisch vorgetragen, sondern lediglich Ausdruck meiner Hochachtung für unkonventionelles Verkaufspersonal. Mit meiner Kaufentscheidung honorierte ich eine ehrliche Antwort im gleichen Maße, wie ich zum Beispiel das Mercedesfahren bestrafe, indem ich einfach ganz bescheuert fahre, wenn hinter mir einer auftaucht. Wie ein weiser König möcht´ ich richten im Schlosse möcht´ ich wohnen den doofen Menschen Lehrer sein und Redlichkeit belohnen. Leider erfordern noble Gesten manchmal Opfer. Das Brötchen war aus Pappe, das Fett schmeckte nach Motoröl und das Innere meines frittierten Freundes erinnerte an das Äußere eines Seeigels. Während sich die ersten Gräten in meinem Hals festsetzten, ritzten mir die anderen das Zahnfleisch auf. Ich hab schon besseren Fisch gegessen, aber wenigstens wurde ich nicht belogen. Glücklicherweise haben auch die Politiker inzwischen eingesehen, daß Lügen in der heutigen Zeit völlig out sind, wie man auf dem jüngst beendeten Klimagipfel in Kopenhagen eindrucksvoll erleben durfte. Mit einem scharfsinnigen Gespür für Realismus bewerteten die Protagonisten ihr Verhandlungsergebnis als vollen Erfolg, was sich mit meiner Vorstellung, Probleme dadurch zu lösen, indem man sie zumindest schon mal locker anspricht, bis zu zwei Grad deckt. Und auch, wenn diese lästige Klimageschichte jetzt super läuft und wir uns nach dem erfolgreichen Gipfel keine Sorgen mehr zu machen brauchen - gäbe es einen einen amerikanischen oder chinesischen Megajesus, der zugibt, daß die einheimische Wirtschaft wichtiger ist als der gelbe Schnee - er wäre mir nicht unsympathisch. Wenn es nach mir ginge, sollte Ehrlichkeit immer belohnt werden. "Sie sagten gerade, daß diese Wohnung asbestverseucht ist, wann könnte ich denn einziehen?" "Da du mir die 1000 Euro, die ich Dir leihen soll, sowieso nicht zurückzahlen willst, gebe ich dir das Geld natürlich gern." "Ach so, Sie haben eine Geschlechtskrankheit - meine Dame, dann können wir gern ein bißchen rumficken!" Im Ernst, wäre ich Präsident von Hertha BSC, hätte ich genau den Trainer eingestellt, der gesagt hätte, daß er mit dieser Mannschaft den Klassenerhalt auf keinen Fall schaffen wird. Ich würde auch total drauf stehen, daß, wenn meine Frau mich betrügt, ich einen Anruf von ihr bekäme, während sie mit ihrem Lover eine Nummer schiebt, verdammt, was für ein Vertrauensbeweis! Vetrauen und Ehrlichkeit sollten auch das Verhältnis zwischen Autor und Leser bestimmen. Wenn Ihnen also diese Kolumne gefallen hat und das Ihre ehrliche Meinung ist, können Sie mir das gerne mitteilen, echt, ich hab da kein Problem mit. Wenn Ihnen die Kolumne nicht gefallen hat, können Sie mich, ehrlich gesagt, besser in Ruhe lassen..

Mehr vom Tom Tonk gibt es auf hier OpenPunk oder auf seiner Seite: http://www.rockraketetonk.de