Dieser scheiß Penner: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. August 2021, 12:15 Uhr

Ich hatte eine verflucht harte Woche hinter mir, ich hätte um ein Haar meinen Job verloren und Ute hatte ihre Tage oder irgend einen anderen guten Grund ständig an mir rumzunörgeln. Selten gab es eine Woche in der ich mir mehr gewünscht hätte morgens einfach nicht mehr auf zu wachen weil ich in der Nacht verstorben war.

Mein Chef hatte mich am Dienstag in sein Büro zitiert und mich fünfunddreißig Minuten mit seinem Mundgeruch gequält bevor er mir grinsend meine Abmahnung rüberschob und mir eröffnete das ich mir über die erwähnten Punkte Gedanken machen sollte und meine Arbeitsweise drastisch müsse um einer weiteren Konsequenz entgegenzuwirken.

Mittwoch hatten mir, wahrscheinlich rechtsradikale Vollidioten, die Spiegel von meinem Opel abgebrochen und ein Hakenkreuz auf die Windschutzscheibe gekliert. Mit meinem Edding habe ich aus dieser Beleidigung ein Nikolaushäuschen gemacht und fahre nun mit Weihnachtssymbol und ohne Spiegel durch die Gegend. Der Donnerstag war ein ganz normaler Scheißtag und heute war Freitag. Ich war Ute so lange es ging aus dem Weg gegangen und hatte ein zweieinhalbstündiges Bad genommen. Nun waren wir auf dem Weg zu einem neuen

Griechen und schwiegen uns mit zusammen gebissenenZähnen auf der alltäglichen Parkplatzsuche an.

„Man müsste alle Autos verbieten die größer als ein Smart sind, A-Klasse dürfte es zur Not auch noch geben,“ meinte Ute und ich verdrehte die Augen. So viel Scheiße in einem Satz war zwar von Ute nichts neues, aber momentan war ich nicht in der Stimmung für diese Art von Konversation. Ich hielt die Klappe und steuerte in die nächste Querstrasse. Es war zum verrückt werden, entweder waren die Parklücken zu klein oder irgend so ein Geier stand schon blinkend in zweiter Spur und beanspruchte die eventuellen Parkplätze auf den nächsten zweihundert Metern.

Elf Minuten später hatten wir dann „Glück“ und erwischten eine noch nicht reservierte Parklücke. Leider hatte es vor vier Minuten zu regnen angefangen und wir waren nicht solchem Wetter entsprechend angezogen. Der Schirm, den wir normalerweise im Wagen hatten stand seit dem letzten Unwetter aufgespannt auf dem Balkon und den hatten wir heute natürlich nicht dabei. Auf dem Weg zum Lokal laberte mich ein etwa fünfzig Jähriger Mann mit Rotweinfahne an und meinte wir hätten vor sechs Jahren zusammen bei Reifenmüller gearbeitet , bis der Laden dicht machte. Hatte ich wirklich so ein Allerweltsgesicht?

Wenn das nicht der beschissenste Abend seit langem war, und der Abend hatte noch nicht mal richtig begonnen .

Nachdem wir den alten Saftarsch stehen gelassen hatten wurde unsere Stimmung kurzfristig besser, wir machten Scherze auf Kosten des alten Stinkers und waren für einen kurzen Moment der Meinung das es doch noch ein netter Abend hätte werden können.

In „Costa’s Pitapalast“ war es brechend voll, eigentlich wollte ich gleich wieder gehen aber der geldgierige Kellner köderte uns mit Ouzo an der Bar, natürlich auf Kosten des Hauses, bis ein Tisch frei wird „kann nur kurze Momente dauern“, meinte er optimistisch und füllte schon wieder unsere Gläser. Als er sich um die anderen Gäste kümmern musste ließ er uns die Flasche gleich da und meinte zwinkernd,„wenn Flasche leer bringen gleich eine neue,“ und wieselte los. Wir waren in recht guter Stimmung und ließen unseren letzten Rhodos Urlaub noch mal Revue passieren. Wie sie sich beim Surfen verbesserte während ich mir mit einem Buch am Pool den Bauch verbrannte und wie ich mich mit einigen Engländern geprügelt hatte als sie in einer Kneipe Bier über Utes T-Shirt gekippt hatten um ihre Vorzüge besser beglotzen zu können. Als ein Tisch frei wurde nahmen wir unsere Gläser und die Flasche gleich mit.

„Stolze Preise,“ meinte Ute und bestellte neben einer Gyrosplatte noch einen Bauernsalat und Zaziki, sowie einen halben Liter teuren Wein. Auf meinen Kommentar, dass sie nicht gleich mein ganzes Gehalt verfressen sollte zog sie eine Fresse zum reinschlagen und meinte,„es sei mir ja noch nie schwer gefallen ihr den Abend zu versauen und sie könne auch nichts dafür das ich so wenig verdiene.“

„Kannst ja zur Abwechslung auch mal arbeiten gehen,“ meinte ich gereizt, dann herrschte für die nächsten Minuten gekränktes Schweigen. Wenigstens hatten die andern Gäste einen angenehmen Abend, oder sie rissen sich zusammen um sich dann zuhause ordentlich zu fetzen. Während Ute in ihrem Salat rumstocherte kam ein hagerer, kleiner Inder in das Lokal um den Leuten überteuerte Rosen anzudrehen. Als sich der Typ unserem Tisch näherte bekam ich Kopfschmerzen, ich hasste solche Situationen. „Rosn,“ meinte er überflüssiger Weise, das er uns keine Duellpistolen verkaufen wollte sahen wir auch, obwohl wir diese im Moment wahrscheinlich mit Freude genommen hätten.

„Nur Funf Mark das Stuck, für schöne Frau schöne Rosä, der Herr?“

Meinte der Kerl erwartungsfroh grinsend.

„Für eine schöne Frau wäre das schon OK, ich seh hier bloß leider keine. Bringen sie mir eine schöne Frau und ich kauf ihnen drei Rosen ab.“

Dieser Spruch wurde von dem Typen nicht verstanden, dafür aber von Ute, welche mich in einer Lautstärke mit Beleidigungen bombardierte das wir für einen Moment der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit waren. Die Leute unterbrachen ihre Mahlzeit und gafften uns ungeniert an. „Nimm deine scheiß Blumen und verpiss dich und ihr Arschlöcher glotzt nicht so blöde , sonst gibt es hier noch ein Blutbad,“

Meinte ich in einer Lautstärke das sich selbst der Küchenchef im hinteren Teil des Lokals angesprochen fühlte. Einen Moment später verschwand der Blumenmann und dann kam auch schon unser Hauptgericht. Auch wenn mir nicht nach essen zu Mute war begann ich mein Mahl ohne Ute einen guten Appetit zu wünschen, wäre eh gelogen gewesen. Von mir aus konnte sie daran ersticken, ich glaube ich würde dazu applaudieren. Um uns nicht den Appetit zu verderben vermieden wir es uns beim Essen anzusehen. Beiläufig registrierte ich das mein Lammbraten ganz vorzüglich schmeckte, richtig genießen konnte ich es trotzdem nicht. Ein widerlicher Geruch nach Urin und Dreck stieg mir in die Nase und als ich mich angewidert umdrehte erblickte ich seinen Verursacher. Ein abgeranzter Penner mit einer Obdachlosenzeitung auf dem Arm kam an unseren Tisch und begann uns voll zusülzen. Wie lange er schon auf der Straße lebte und das es ganz schön schlimm sei, jetzt wo der Winter vor der Tür stünde. Auch das er mit ehrlicher Arbeit nicht mehr betteln müsse und das man das mit zwei Mark ruhig honorieren könne, besonders wenn man in so einem teuren Lokal sei.

„Verpiss dich Stinker, deine Masche zieht bei mir nicht, quatsch jemand anders voll,“ meinte ich nur, so einer hatte mit gerade noch gefehlt. Da begann der in seiner Ehre verletzte Vagabund total aufzudrehen, ob ich mich für was besseres hielte und er hätte schon seit zwei Tagen nichts mehr gegessen und so. Als ich ihm mitteilte das mich das einen scheiß interessierte und ich hier nur in Ruhe essen wolle wurde er richtig fies.

Mit seinen vollgepissten Fingern griff er nach meinem Braten, roch daran, meinte irgend was wie lecker oder so, und biss ein Stück ab. Den Rest legte er wieder auf meinen Teller und strich das Fleisch mit seiner Hand glatt. Als er mich dann auch noch provozierend angrinste hätte ich ihm am liebsten meine Gabel in den ungewaschenen Hals gerammt. Bevor ich richtig wütend werden konnte kamen zwei Kellner und warfen den Taugenichts unter großem Gezeter aus dem Restaurant.

Mir war der Appetit vergangen, ich goss mir noch einen Anisschnaps ein und steckte mir eine Zigarette an. In diesem Moment fauchte mich Ute an da sie noch beim Essen war. Ich nahm meine Jacke und sagte zu Ute das ich vor der Tür zuende rauchen würde, sie blickte mich nur zornig an.

Ich verließ das Lokal ohne ein weiteres Wort, ging zu meinem Auto und fuhr los. Ich fuhr nicht in unsere Wohnung sondern weg, überall war es besser als dort, ich habe Ute nie wieder gesehen.


eine viel geliebte und gelobte Geschichte aus dem Ute und Bernd Kosmos, in Papierform gibts das ganze + vielen anderen Geschichten und Gedichten. Zu finden in dem TaschenRecke

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