The Police: "Bring On The Night" 1/2
FGehöre ich zu den Leuten, die Popmusik nach soziologischen Aspekten analysieren, ihre historischen Wurzeln beleuchten, formidable Multimediakonzepte in einem popkulturellen Kontext betrachten und sich zur Einführung einer Radioquote für deutschsprachige Musik äußern? Sicher nicht. Schimpfe ich trotzdem auf die Musikindustrie? Natürlich! Jeden Tag. Die Brüder haben mein Leben zerstört. Zum Beispiel haben sie 1992 ihr LP-Preßwerk geschlossen (EMI), ihre Platten meist in unbedruckte Innentaschen aus billigem Kratzpapier gesteckt (Ariola), Frank Zappa gestattet, nur drei Doppelalben pro Jahr herauszubringen (CBS) und meine damalige Band nicht gesignt (EMI, Ariola, CBS, Polydor, WEA, Teldec). Mann, das haben sie echt verbockt. Aber das schlimmste ist wohl, daß uns die Schweine seit Jahrzehnten mit einem Virus infizieren, dem wir schutzlos ausgeliefert sind. Wir Fachleute sprechen vom so genannten Ohrwurm. Hat sich das Biest erst einmal im Körper des Patienten festgebissen, läßt es sich nur schwer entfernen. Gut sind Bestrahlungen, Akupunkturen und Antibiotika, wenn auch nicht in diesem Kontext. Gut sind sicher auch Deutschlands Chirurgen, allerdings ist ein operativer Eingriff relativ schwierig, da beide Hirnhälften betroffen sind und man beide Hirnhälften zum Zubinden der Schuhe benötigt. Verständlich also, daß sich kein Mensch einen Ohrwurm einfangen möchte. Wenn es aber doch passiert, ist es am besten, man gibt diesen Virus direkt weiter. Schön für Sie, wenn Sie gerade was Ernstes am laufen haben. Weniger schön für Ihren Partner. Was soll´s - Sie sind im Recht! In einer offenen Beziehung sollte man sich alles sagen oder singen dürfen, isn´t it? Sie können auch gerne einen Schritt weiter gehen und Ohrwürmer weitergeben, die Sie gar nicht haben. Nur zu, das macht Spaß! Besonders dann, wenn man weiß, auf welche Lieder der Partner allergisch reagiert. Hier mal unverbindlich ein kleiner Hinweis: Die Bouzouki la Paloma Blanca klang zehn nackte Frisösen in der Mokka-Milch-Eisbar durch die Sommernacht, ja, lebt denn der alte Holzmichel noch, ich bin der Hass. Natürlich weiß ich nicht, ob diese flockigen Weisen bei allen Menschen eine dermaßen durchschlagende Wirkung haben, aber meine offene Beziehung Mona geht an die Decke, wenn man ihr nur eine davon flötenderweise implantiert. Und Frauen an der Decke haben ihren Reiz. Aber davon einmal abgesehen ist es schon seltsam, was einem stellenweise durch den Kopf schießt. Mona saß vor ein paar Tagen am Frühstückstisch und summte, das können Sie mir glauben, "Vamos a la playa" und sah natürlich alles andere als fröhlich dabei aus. Ungefähr zur gleichen Zeit stieß mein Hinterstübchen auf "Bring On The Night" von POLICE, allerdings nicht auf den Song als solches, sondern nur auf den Solo-Teil. Verrückt, ich wollte den Song im Kopf stets von vorne abspulen, doch die Nadel an der Arachnoidalmembran sprang immer direkt zum Solo, das ich dann auch bald zu schätzen lernte. Alles in allem ist das Solo von "Bring On The Night" ein wunderschönes Stück Musik, doch doch doch. Gegen das Solo von "Bring On The Night" wirkt "Bring On The Night" mit Soße wie ein folienverpackter frischer Fisch, den man aber noch mit einer alten Zeitung umwickelt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wobei das Gekrähe von Sting natürlich die Zeitung symbolisieren soll, da nehme ich jetzt mal kein Blatt vor den Mund, das ist einfach so bei Ohrwürmern (zumindest bei denen, die einen Stachel haben).
zum Zweiten Teil
Mehr vom Tom Tonk gibt es auf hier OpenPunk oder auf seiner Seite: http://www.rockraketetonk.de