Grauer Morgen
Sie hatten gefickt und nun lagen sie nebeneinander. Sie war zwischendurch nüchtern geworden und fragte sich nicht erst seit fünf Minuten, in was für einen Schlamassel sie nun wieder geraten war. Das Zimmer war schäbig, ein eingestaubter Computer stand auf dem angefressenen Schreibtisch, das Bettzeug mit Michael Schumacher bedruckt und der verschwitzte junge Mann neben ihr stank. Er hat einen Namen, den hatte sie sich aber nicht gemerkt und noch einmal fragen mochte sie nicht. Gestern Abend war alles noch lustig, er war nicht ihre erste Wahl, aber er war hartnäckig und wer geht schon gerne ungefickt nach Hause. Als sie weit nach Mitternacht hier ankamen, mussten sie leise sein, sein Vater schlief nebenan, aber er war wohl auch betrunken, denn sie waren nicht gerade leise, als sie in die Wohnung gestolpert kamen. Im Wohnzimmer stand eine fast leere Flasche Wodka und ein einziges Glas. Der Fernseher stand dominant im Raum, der Rest war belangloser Wohnzimmerkitsch, wie in so vielen „gemütlichen“ Wohnzimmern dieser trüben Republik. Als sie die Küche gesehen hatte, lehnte sie es ab, etwas zu trinken. Und nun lagen sie hier und sie musste aufs Klo, aber irgendwie war es ihr unangenehm, hier das Bad zu benutzen. Drüben polterte es, der Vater war wach. Er rumpelte in die Küche, dann in das Bad, die Geräuschkulisse brachte sie fast um, die Wohnung war ein Musterbeispiel für Hellhörigkeit. Jetzt war es ihr erst recht vergangen, die Toilette zu benutzen. So leise es ging, schlüpfte sie aus dem Bett, zog ihre Sachen an und verschwand, sie zog leise die Tür hinter sich zu und achtete nicht darauf, als er Momente später am Fenster zu sehen war. „Hey du, warte mal, ich ruf dich an, ja? Hey, ich hab deine Nummer gar nicht, warte mal, du Schlampe….“ Sie hörte nicht zu, sie drehte sich nicht um. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, aber irgendwo musste doch ein Bus fahren, dann würde sie sich schon zurechtfinden, irgendwo konnte man immer umsteigen und nach Hause fahren.