Leergerotztes Magazin

Yussuf war kein schöner Mann, eher im Gegenteil. Die Frauen fanden ihn dumm oder hatten Angst vor ihm, was unter anderem an seinem stechen Blick und dem wild wuchernden Bart lag. Auch wusch er sich selten, aber die Füße, wenn er in die Moschee ging. Sein Leben war ein Scherbenhaufen, in Kreuzberg aufgewachsen zog er Mitte der achtziger Jahre als Gangmitglied durch seinen Bezirk um seine deutschen Altersgenossen oder Gewerbetreibende zu terrorisieren.

Irgendwann wurden die Zwillingstürme kaputtgemacht und er entdeckte seine Liebe zur Religion. Er warf seine Bomberjacke und die Rambofilme weg und wurde gläubig.

Leben ist nicht leicht, murmelte er immer öfter, so oft, dass ihn seine Nachbarn hatten einweisen lassen. Und da hatte er noch Glück gehabt, wäre er von anderen Typen, zum Beispiel von Geheimagenten bewacht worden, die hätten ihn glatt und mit Grund nach Kuba in einer Holzkiste verfrachtet. Nun, er kam nur in die geschlossene Abteilung der Charite. War zwar nicht lustig dort, aber er fühlte sich als Krieger mit einer Mission, daher stand er die Zeit durch und nun war er wieder draußen. Es zirkulierten noch die Antidepressiva durch seine Blutbahn, aber er kannte seine Bestimmung, er musste töten.

Nicht irgendwen und auch nicht Menschen, er hatte sich ein höheres Ziel gesetzt. Er würde es den Ungläubigen zeigen, ein Aufschrei würde durch die Nation gehen und er wäre das, was er seit seinem dreißigsten Geburtstag sein wollte, ein Märtyrer.

Yussuf holte seine Tasche ab, Machmut hatte sie gut bewacht, alles war gut geplant, jetzt würde er zum dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte werden, er würde Knut töten.

Es war ein regnerischer Tag, die Schlange am Zoo war nicht allzu lang und schwups war er drin. Die Alpakas glotzten ihn blöde an mit ihren niedlichen Gesichtern, ein Elefant schiss sich den Darm leer und das Nashorn glänzte mit Gleichgültigkeit, der Zoo war wie immer. Ein Schild mit dem kleinen Knut und einem Pfeil wies ihm den Weg zu seinem Opfer, die Uzi Maschinenpistole war frisch geölt und durchgeladen, der kleine Eisbär hätte keine Chance, Yussuf war klar womit heute Abend die Abendschau beginnen würde, das Geflenne in den Medien würde seinesgleichen suchen, die Kanzlerin würde im Trauerflor vor die entsetzte Presse treten, sein Name würde sich in die Geschichtsbücher einbrennen, er wäre ab heute Abend der Antiknut.

Hinter den Geiern bog er nach links ab, als er auch schon die Kinderstimmen hörte, immer wieder skandierten sie,

„WIR WOLLEN KNUT! WIR WOLLEN KNUT!!!“.

Nicht gerade einfallsreich, aber auch er wollte Knut, er wollte sich den Schädel als Trophäe an seine Zellenwand nageln. Er hatte sich informiert, ein Tier, auch vorsätzlich zu töten konnte als Tierquälerei oder als Sachbeschädigung geahndet werden, dazu kam noch der unerlaubte Besitz von Kriegswaffen, aber mehr als fünf Jahre würden sie ihm nicht geben können, zumal ja noch seine Psyche Beachtung beim Prozess finden würde. Mann, er würde nicht ins Gefängnis kommen, er käme in die Psychiatrie. Das war mehr eine gemütliche Krankenhausatmosphäre als der harte Ton eines Gefängnisses. Er würde keine Langeweile haben, ständig würden sich Ärzte und Pfleger mit ihm unterhalten und dann wären noch die Gruppen, malen, basteln, Kochgruppe. Nach einigen Jahren würde er sich einsichtig geben und wäre raus aus der Klinik, noch nicht einmal vorbestraft wäre er.

Yussuf erreichte das Bärengehege, Knut wurde fotografiert als wäre er ein halbnacktes Supermodell, nicht nur ein schmutziger Bär, der noch etwas bräuchte um richtig ausgewachsen zu sein. Mit seinen Ellenbogen bahnte er sich seinen Weg an den Zaun, Thomas Dörflein, Knuts Lieblingspfleger saß am Rand und rauchte eine Kippe, kein gutes Beispiel für die kleinen Hosenscheißer. Dieser Typ, der aussah wie eine Mischung aus Hippie und Hells Angel war alles andere als ein typischer fettärschiger Tierpfleger, aber er könnte bald Urlaub machen und seine angesammelten Überstunden abbummeln. Insgeheim würde er sich wohl bei Yussuf bedanken, dachte er, als er das handliche Wurderwek aus israelischer Baureihe entsicherte.

Zielen konnte man nicht, aber die Hohlspitzgeschosse so streuen, dass Knut keine Chance hätte. Viel Zeit hatte er nicht, aber da spuckte die Waffe schon die Projektile nach vorn und die leeren Hülsen auf eine Oma, welche eine Videokamera hielt. Die Oma begann zu schreien, als Knut, angezoomt auf ihrem kleinen Bildschirm, in Stücke gerissen wurde. Mit den Bildern wirst du reich, du alte Scheißhexe, dachte Yussuf. Das Spektakel dauerte nicht lange, fix waren die dreißig Schuss rausgerotzt, aber der Feind war vernichtet. Knut war bunte Geschichte, ich bin ein Held, das war sein letzter Gedanke, bevor ihn von hinten eine Schaufel traf. Seine Lichter gingen aus, er merkte nicht, wie ihn hunderte von Stiefeltritten trafen, ihm die Rippen brachen und die Zähne splitterten.

Klaus Lange war der Held, der den Knutkiller niederstreckte. Acht Wochen nach dem tragischen Ereignis bekam er das Bundesverdienstkreuz, Knut bekam ein Heldenbegräbnis.

Der Senat richtete eine Trauerhotline ein, wie damals, als sich ein fertiger Robbie von Take That verabschiedete.

Den Knutkiller an die Wand stellen, forderte nicht nur die Bild, der Druck wuchs und so geschah es, dass Yussuf der erste, von der Bundesregierung zum Tode verurteilte Verbrecher wurde, den die Geschichte der Bundesrepublik verzeichnete. Das Spektakel sollte im Olympiastadion stattfinden, die Eintrittskarten lagen bei den schlechten Stehplätzen bei achtunddreißig Euro, achtunddreißig Geschosse hatten Knuts kurzes Leben beendet. Selbst George Bush reiste an, Regierungschefs der ganzen westlichen Welt waren anwesend, sogar der Papst wurde in einer, mit Vorhängen getarnten Loge gesehen.

Im Vorprogramm sangen U2 und Bob Geldorf für eine bessere Welt, Herbert Grönemeyer hielt mit Frank Zander eine Laudatio auf Knut, das ganze Ereignis konnte über Premiere live verfolgt werden, später gab es noch eine DVD von dem Ereignis. Ein Exekutionskommando der Bundeswehr streckte Yussuf nieder, dieser konnte bis zum Schluss nicht glauben was da genau mit ihm passierte. Der Iran hatte ihn im Vorfeld noch zum Ehrenbürger ernannt und legte Protest beim Bundespräsidenten ein, es nützte nichts. Um sechzehn Uhr vierunddreißig, in der selben Minute in der Knut vor vier Monaten starb, gab der Verteidigungsminister den Befehl zum feuern.

Berlin hatte einen neuen Volkstrauertag und die freie Welt einen neuen Feind. Trauerbinden wurden kurzzeitig zum Verkaufsschlager und Premiere hatte nie so viele Neukunden wie zu diesem Ereignis. Selbst die GDL unterbrach ihren Streik, damit jeder der es wollte zu der Gerechtigkeitsveranstaltung reisen konnte, der bei ebay noch eine Karte hatte ersteigern können. Wem das Geld dazu fehlte und auch keinen Premieredecoder kaufen wollte, der konnte auf der Knut Fanmeile vor dem Brandenburger Tor das Spektakel auf einer der sechs Großbildleinwände mitverfolgen.

Nachdem Yussuf, tödlich getroffen zusammenbrach, ging ein Jubelschrei durch die Republik, den man, wie die Bildzeitung schrieb, noch im Iran hat vernehmen können. Ich glaube die Bild hat da aus versehen etwas übertrieben, Aber in Prag kam das Echo des Vergeltungsschreis an, der Wind stand gut und wen achtzig Millionen Menschen losbrüllen ist das schon was.

Ende

Eine viel gelobte Geschichte, aus dem TaschenRecke: Kapitulation? Nö, danke, in Papierform mit vielen anderen glorreichen Texten für 3,20 bei mir zu bekommen, schönes Neues

TaschenRecke